Meinung

Film über Philipp Mickenbecker: Sterben gehört zum „Real Life“ dazu

Leichte Kost ist dieser Film über die letzten Tage im Leben des bekannten YouTubers Philipp Mickenbecker nicht. Die Dokumentation handelt von Philipps Leiden, aber auch von seinem Glauben und von seiner Hoffnung bis zuletzt.
Von Jörn Schumacher
Philipp Mickenbecker im Film „Real Life“

Auf ihrem beliebten YouTube-Kanal „Real Life Guys“ bastelten die Zwillinge Johannes und Philipp Mickenbecker erstaunliche Dinge: eine Achterbahn im eigenen Garten, ein U-Boot aus Badewannen, sie schraubten Kettensägen unter Schlittschuhe, beschleunigten ein Fahrrad mit einem Propeller auf 70 km/h, einmal flogen sie sogar in einer Badewanne zum Bäcker. Millionen Menschen klickten die Videos an, eine riesige Fangemeinde fieberte den neuen Basteleien des Brüderpaars aus Bickenbach in Hessen entgegen. Lieber das echte Leben feiern, als sich hinter den eigenen vier Wänden verschanzen, lautete die Devise der „Real Life Guys“.

Zum echten Leben gehört aber eben auch das Sterben.

Mehrmals schien der Tod bei den waghalsigen Stunts der jungen Männer zumindest gespannt mit zuzusehen. Als die beiden ein U-Boot aus zwei Badewannen zusammenschweißten, gingen sie damit in einem See tatsächlich mehrere Meter unter Wasser. Es fehlte nicht viel, und der Druck des Wassers hätte die Piloten im Inneren zerquetschen können. Etwas Blauäugigkeit gehört wohl dazu, wenn man das Leben so herausfordert wie die Mickenbeckers. Wer sich Kettensägen unter die Schlittschuhe montiert, darf nicht allzu lange nachgrübeln.

Philipp Mickenbecker wurde mit seinem Bruder als YouTuber berühmt

Beide YouTuber waren gläubig. Der Dokumentarfilm „Philipp Mickenbecker – Real Life“, der ab dem 21. September in ausgewählten Kinos anläuft, beleuchtet diesen Aspekt der Internet-Stars erfreulicherweise sehr gut. Die Mutter kommt zu Wort, sie und ihr Mann sind tiefgläubige Christen, sie schickten ihre Kinder daher nicht in den Kindergarten und in die Schule, sondern unterrichteten sie selbst. „Uns war wichtig, dass alle Dinge in Verbindung mit dem Glauben geschehen“, sagt die Mutter. Und fügt hinzu: „Wir waren immer ein bisschen extrem. Wir haben es immer gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht.“

Philipp und Johannes stoßen den strengen Glauben zunächst von sich. Die Eltern seien sehr „gesetzlich“ gewesen, sagt Philipp. Da sei die Liebe etwas untergegangen. Dass Gott kein Spaßverderber ist und jedem seinen freien Willen zugesteht, lernten die Brüder erst später, auch das thematisierten sie in ihren Videos. Und auch deswegen fieberten viele Fans den Videos der beiden immer wieder entgegen: Hier lebten zwei Männer einen unkomplizierten und grundehrlichen christlichen Glauben.

Hoffnung auf Heilung bis zum Schluss

Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs erfuhr Philipp Mickenbecker von seiner Krebsdiagnose. Auch dies machte er öffentlich. Er war davon überzeugt, dass Gott ihn heilen wird. Seine Gelassenheit und innere Überzeugung schienen dabei genauso groß zu sein, als ginge es darum, mit einer Badewanne Brötchenkaufen zu fliegen. Die Dokumentation von Lukas Augustin und Alexander Zehrer ist erfreulicherweise kein verlängertes typisches Mickenbecker-Video mit beeindruckenden Basteleien und gefährlichen Stunts. Dieser Film geht in die Tiefe.

Bei „Deep und deutlich“, einer Fernseh-Talk-Show des NDR, hatte der Filmemacher Zehrer den Auftritt Philipp Mickenbeckers gesehen, der offen über seine Krebserkrankung sprach und dabei so entspannt wirkte, als spreche er von einem neuen Projekt. Augustin und Zehrer fragten die Mickenbeckers, ob sie bereit wären für eine Dokumentation, und die sagten sofort zu, wie die Filmemacher gegenüber PRO berichten.

Die Freunde von Philipp Mickenbecker sitzen um ihn herum und beten für ihn
Gemeinsames Gebet (Foto: Real Life)

Es entstand eine Freundschaft und ein 121 Minuten langer Film, der am 18. September in Berlin und am 19. September in Hamburg Premiere feiert. Für Zehrer ist es der erste Langfilm, Augustin erhielt für seine Produktionen bereits mehrere Preise, darunter 2013 und 2015 den „CNN Journalist Award“, er bekam einen Emmy für die Dokumentation „Slahi und seine Folterer“ und war für den Grimme-Preis nominiert.

Der Sterbende, der anderen Hoffnung gibt

Der Film begleitet Philipp und seine Freunde während der letzten drei Monate seines Lebens. Zunächst erzählt er, wie es zu den „Real Life Guys“ kam, zeigt verwackelte Video-Tapes aus Kindheitstagen und lässt Weggefährten zu Wort kommen. Dann ist auch vom tragischen Tod der Schwester Elli die Rede, die mit einem Flugzeug abstürzte.

Schließlich konzentriert sich der Film auf den Lymphdrüsenkrebs, den Philipp zwischen den Lungen entwickelt, der Tumor wird irgendwann faustgroß. So wie Philipp an die Stunts heranging, so ging er zunächst auch mit seiner Krebserkrankung um. An einer früheren Stelle spricht Johannes das selbst an: „Bei allem im Leben gibt es immer eine Lösung. Egal, ob nun etwas am U-Boot kaputtgeht oder was anderes – irgendwas geht immer.“

Philipp las immer mehr in der Bibel und fand im Glauben Kraft. Auch die pure Verzweiflung, die im Laufe der schrecklichen Krankheit immer wieder aufkommt, verheimlicht der Film nicht. Weinend sprach Philipp etwa einem Freund eine Sprachnachricht auf: „Bitte bete für mich, dass Gott mir die Chemo erspart.“ Bis zuletzt war er sich aber sicher: Wenn Gott will, kann er ihn gesund machen.

Das Erhoffte tritt nicht ein.

Die Wunde wird immer größer, und auch die zeigen die Filmemacher, wenn auch nur angedeutet. Philipp selbst gibt zu: „Ohne meine beiden Krebserkrankungen wäre ich niemals zu Jesus gekommen.“ Auf seinem YouTube-Kanal spricht er offen auch darüber. „Ich empfehle euch, macht euch auf die Suche nach diesem Jesus, nach der Wahrheit!“ Allein dieses Video bekam 2,9 Millionen Klicks.

Der YouTuber sprach in Talksendungen wie „deep und deutlich“, in der ZDF-Talkshow „13 Fragen“, bei Stern TV, oder bei ERF „Mensch Gott“ und machte anderen Hoffnung. Alex Oberschelp vom Pop-Duo „O’Bros“ sagt im Film, was ihn an Philipp beeindruckt: „Er schaut im Angesicht des Todes nicht auf sich selbst, sondern auf die anderen Menschen.“ Die Christliche Medieninitiative pro, die auch PRO herausgibt, verlieh den Mickenbeckers (Philipp posthum) den Christlichen Medienpreis „Goldener Kompass“.

Keine Bastelei gegen den Tod

Natürlich ist es auch beklemmend, Zeuge dabei zu sein, wie ein junger Mensch auf diese Weise stirbt. Man sieht die Wunde, die immer schlimmer wird, das Gesicht Philipps, das immer blasser wird. Wie schön wäre es gewesen: dem Tod von der Schippe springen, ein weiteres Mal. Aber hat Philipp am Ende verloren?

Nein, denn wer mit Jesus geht, hat den Tod besiegt, auch wenn er stirbt. Dieser Sieg ist allerdings schlecht auf YouTube einpreisbar, er findet dort statt, wo selbst eine Actioncam nicht hinkommt: im Herzen. Es ist absolut glaubwürdig, wie dieser junge, unerschrockene YouTube-Star Gott sucht, wie er ihn findet, und wie er bis fast ganz zum Schluss fest davon überzeugt ist, dass Gott ihn retten wird.

So authentisch wie die „Real Life“-Jungs ihre Träume entgegen allen technischen Widrigkeiten umsetzen, schrauben, sägen und schweißen, so authentisch ist auch ihr Glaube. Doch dem irdischen Tod konnte am Ende eben auch ein Real Life Guy wie Philipp Mickenbecker mit Hammer und Panzertape nichts entgegensetzen.

Der Trailer von „Real Life“

In den letzten Stunden ist auch der Schauspieler Samuel Koch am Sterbebett Philipps, die beiden waren gute Freunde. „Jedes Gebet nützt etwas“, sagt Koch, der seit einem Unfall querschnittsgelähmt in einem Rollstuhl sitzt. Auf Philipps Aussage, er habe so sehr daran geglaubt, dass Gott ihn heilt, antwortet Koch: Immer wieder höre er Menschen sagen: „Gesundheit ist das Wichtigste.“ Koch: „Nein, körperliche Gesundheit ist nicht das Wichtigste, geistliche Gesundheit ist das Wichtigste.“

Vielleicht meint Gott ja etwas anderes, als eine Wunde zu schließen, wenn er vom Heil spricht. Koch sagt zum Abschied, als er schon mit seinem Rollstuhl aus dem Krankenhauszimmer fahren will, so beiläufig wie alltäglich, von Christ zu Christ: „So oder so, wir sehen uns!“

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