"Hat der Mensch wirklich eine Seele?" heißt es auf dem Titelbild des "Stern". "Antworten auf die ewige Frage, was den Menschen ausmacht" will der Artikel des Wissenschaftsautors Stefan Klein geben. Der studierte Physiker schrieb Bestseller wie "Die Glücksformel" und "Da Vincis Vermächtnis".
Zu allen Zeiten hätten Menschen geglaubt, dass der Mensch mehr sei als der sterbliche Leib, schreibt Klein. "Dann entzauberten die Neurobiologen unser Denken und Fühlen. Und doch haben sie nicht alle Rätsel gelöst." Der "Stern" hat 21 Menschen nach ihrer Meinung zu diesem Thema gefragt und zitiert ihre Ansichten. "Die Seele ist das, was uns Gott gegeben hat", sagt eine 21-jährige Jura-Studentin, die neu-apostolischen Glaubens ist. "Sie unterscheidet uns von Tieren und Pflanzen. Sie bestimmt, was wir sind. Sie lebt weiter, wenn man gestorben ist, und alle Seelen treffen sich im Jenseits wieder." Der gleichaltrige Physikstudent Daniel, evangelisch, hingegen glaubt nicht an eine Seele. "Die Seele ist etwas Unlogisches", ist er überzeugt. Auch ein 52-jähriger konfessionsloser Tischler aus Berlin findet: "Die Seele ist eine schlechte Erfindung. Durch den Glauben an solche übernatürlichen Sachen lassen sich Leute manipulieren." Eine 41-jährige Reiseverkehrskauffrau ist "eigentlich evangelisch", interessiert sich sehr für den Buddhismus und hält Seelenwanderung nach dem Tod für denkbar. Für den Heizungstechniker Turhan Sinan, der muslimischen Glaubens ist, ist die Seele "Mitleid und Mitgefühl". Er fügt hinzu: "Mit dem Tod stirbt auch die Seele." Eine 38-jährige Tierärztin aus Berlin kann sich nicht vorstellen, "dass es der Sinn des Leben ist, auf der Erde herumzuwandern und nach vielen Jahren zu sterben. Das wäre so sinnlos."
Klein beschreibt das Gefühl eines Mannes, der mit seiner Seele den Körper verlassen hatte. Das Erlebnis, das man gemeinhin "Nahtoderlebnis" nennt, hatte der Biochemiker Ernst Waelti von der Berner Universität im Jahr 1979. Danach setzte er sich mit dem Phänomen genauer auseinander und sammelte alle Berichte darüber. Jeder zehnte Mensch hat nach eigenen Angaben bereits derartige "außerkörperliche Erfahrungen" gemacht. Vieles in ihren Berichten stimmt überraschend überein. "Wer eine solche Erfahrung gemacht hat, kann kaum noch annehmen, dass alles, was ihn ausmacht, Materie sein soll", schreibt Klein. "Nicht zuletzt solche Erfahrungen ließen Menschen zu allen Zeiten fest daran glauben, dass wir viel mehr – oder etwas ganz anderes – sind als nur ein sterblicher Leib." Mehr als die Hälfte der Deutschen ist der Meinung, dass in ihnen eine unsterbliche Seele wohnt.
Nur Menschen sind nach dem Tod 21 Gramm leichter
Die Hirnforschung sät zwar Zweifel an der Existenz einer nichtmateriellen Seele. Wirklich beweisen konnte sie die Nichtexistenz jedoch noch nicht. Die "Schwierigkeit" dabei, Menschen davon zu überzeugen, dass sie keine Seele besitzen, wie es viele Religionen tun, sei: "Wir fühlen uns überhaupt nicht wie die raffinierten Automaten, als die uns die Forscher beschreiben."
Dabei sei nicht einmal deutlich definiert, was "Seele" eigentlich ist. Die Griechen sprachen von der "Psyche", was schlicht "Atem" bedeutet. Für Platon war die Seele der Garant für die Unsterblichkeit. Im Hinduismus und im Buddhismus glauben die Anhänger an ein Weiterleben der Seele in andere Form auf der Erde. Im Judentum sei die Vorstellung von einer Seele lange Zeit fremd gewesen, so Klein. "Erst als die Rabbiner in der Ära um Christi Geburt mit der griechischen Philosophie in Kontakt kamen, sprachen manche unter ihnen von Unsterblichkeit."
Nach christlicher Vorstellung schließlich ist die Auferstehung des Menschen auch nach seinem Tod grundlegend: "Nach Jesu Auferstehung war das Grab leer. So hofften die frühen Christen, dass am Tag des Jüngsten Gerichts auch ihre Leiber auferweckt werden." Klein fährt fort: "Die heutige Theologie hingegen sieht die Auferweckung vom Tod eher als einen Prozess. Dieser beginne schon im irdischen Leben und vollende sich im Tod. Dann nämlich würde der Mensch mit Leib und Seele in Gottes Hand fallen – das ewige Leben."
Klein berichtet auch vom Versuch des Arztes Duncan MacDougall, der Menschen vor und nach dem Tod wog. Ihr Gewicht verlor kurz nach dem Tod durchschnittlich 21 Gramm. Hunde wiederum verloren mit dem Tod kein Gewicht. Daraus schloss er auf die Existenz einer menschlichen Seele.
Freier Wille ohne Seele?
Fest steht für moderne Hirnforscher in jedem Fall, dass alle psychischen Vorgänge messbare Reaktionen im Gehirn anzeigen. Umgekehrt kann man inneres Erleben erzeugen, wenn man bestimmte Hirnzentren elektrisch anregt. So haben etwa Ärzte eine Patientin nur allein durch Elektroden im Gehirn zu lautem Lachen bringen. Sogar das Gefühl, sich außerhalb des eigenen Körpers zu befinden, konnten Ärzte durch Stimulation bestimmter Hirnareale hervorrufen.
Die Frage nach der menschlichen Seele ist eng verknüpft mit der nach dem freien Willen. Ist die Seele der "Befehlshaber" des Menschen, der bestimmt, in welche Richtung es geht, und welche Handlungen ausgeführt werden und nicht? Gibt es überhaupt eine solche Instanz im Menschen? Viele Forscher verneinen diese Frage. Dennoch besteht die Frage, ob der Mensch mehr ist als die Summe seiner Teile.
"Die Wissenschaft hat die gewohnte Vorstellung von der Seele so gründlich unterminiert, dass ihr der Begriff selbst überflüssig erscheint", schreibt Klein. "Und so wird auch die Unsterblichkeit eine reine Frage des Glaubens. Natürlich könne niemand wissen, was nach dem Tod komme. Aber wissenschaftliche Sicherheiten darüber, ob im Menschen etwas nichtmaterielles lebt, gebe es nicht. Aber auch etwas völlig Subjektives wie eine große Liebe könne man nicht mit wissenschaftlicher Sprache beschreiben. "Selbst wenn sich ein künftiger Hirnforscher alle Daten über das Gehirn einer Verliebten verschaffte, könnte er anhand seiner Messungen nicht erfahren, wie es ist, sich zu verlieben." Weiter schreibt der Autor: "Im Gegenteil: Je mehr Daten über die Arbeit des Gehirns (Neurowissenschaftler) sammeln, desto drängender stellt sich die Frage, woher all unser inneres Erleben eigentlich kommt – und warum wir es haben."
Somit ginge das Rätseln dann im Grunde weiter: Selbst wenn man wüsste, warum die Neuronen feuern, wie sie feuern, bliebe immer noch offen, weshalb Menschen diese Empfindungen haben, die das Leben bietet. Offenbar macht die Seele vor allem eines aus: das Selbst des Menschen, seine Identität, die ihn von allen anderen unterscheidet. Also selbst wenn manche Wissenschaftler behaupten, es gäbe keine Seele, so hilft der Begriff doch dabei, den Menschen als die Person zu bezeichnen, die er ist. (pro)
Eine Antwort
Wenn alle Menschen einmal vor Gottes Gericht stehen dann kann das nur die Seele sein alle Menschen hätten kein Platz auf der Erde!!!