Zwischen Theologie und Rock ’n’ Roll: 90. Geburtstag von Little Richard

Als Homosexueller und Schwarzer hatte es der Rock-Sänger Little Richard in den 50er Jahren ohnehin nicht leicht. Zudem pendelte sein Leben zwischen Exzess und Heiligkeit. Am Montag wäre der „Tutti Frutti“-Sänger 90 Jahre alt geworden.
Von Jörn Schumacher
Prägte den Rock’n’Roll: Little Richard

Damals war die Newcomer-Band The Beatles froh, für ihn als Vorband auftreten zu können, er entdeckte James Brown, Otis Redding begann seine Karriere als sein Imitator, Jimi Hendrix stieß Mitte der 1960er-Jahre zu seiner Band. Doch er selbst erreichte deren Popularität nie wirklich. Little Richards „Wop bop a loo bop a lop bom bom“ aus dem Song „Tutti Frutti“ ist hingegen weltberühmt. Das Stück wird oft als die Geburtsstunde des Rock ’n’ Roll bezeichnet. Doch bis zu seinem Tod am 9. Mai 2020 stand der Musiker, der zutiefst gläubig, aber auch wegen seiner Homosexualität innerlich zerrissen war, eigentlich nie in der allerersten Reihe der Musikwelt.

Richard Wayne Penniman wurde vor 90 Jahren am 5. Dezember 1932 in Macon im US_Bundesstaat Georgia geboren. Sein Großvater war Pastor, sein Vater war Prediger, aber zugleich auch Schwarzhändler und Nachtclubbesitzer. Drei von Little Richards Onkeln waren Seelsorger, einer heilte sogar Kranke durch Gebete.

Richards Vater war Methodist, seine Mutter Baptistin, sodass der Junge unterschiedliche Kirchengemeinden besuchte und dort Klavier spielte. Weil seine Gangart komisch und unmännlich auf die anderen Kinder wirkte, wurde er gehänselt und schon damals „Schwuchtel“, „Weichei“, „Missgeburt“ oder „Abschaum“ genannt. Er verschwand im Zimmer seiner Mutter und schminkte sich, fühlte sich zu anderen Jungen hingezogen. Sein Vater warf ihn deswegen aus dem Haus, als er 13 war. Auch die Musik, der sich Little Richard zuwandte, der Rock ‘n’ Roll, war in den Augen der Eltern „Teufelsmusik“.

In der 2021 erschienenen Biografie beschreibt der amerikanische Journalist Mark Ribowsky sehr eindrücklich, wie das Leben eines schwarzen, schwulen Mannes in den Südstaaten der USA in den 50er Jahren gewesen sein muss.

Auf die Straße gesetzt, schloss sich Richard einem Wanderzirkus an. Als Schwarzer bekam er kein Hotelzimmer und musste unter freiem Himmel schlafen, oft bekam er Schläge. Doch schon damals steckte in dem Jungen aus christlichem Elternhaus ein Vertrauen auf Gott. „Ich wusste, dass es etwas Besseres gab und der König der Könige es mir zeigen würde. Ich war Gottes Sohn. Er würde mir den Weg ebnen“, sagte Little Richard später.

Rock ’n’ Roll gegen den Teufel

Immer wieder versuchte der Sänger, Geistlicher zu werden und startete mehrmals im Leben ein Theologie-Studium. Das Studium an einer Privatschule der Siebenten Tags-Adventisten schlug fehl wegen des Versuchs einer Annäherung an einen Studenten. Man riet ihm, seine Homosexualität durch Gebete zu überwinden und sich eine Frau zu suchen.

Tatsächlich heiratete Richard 1959 eine Frau, die Ehe hielt vier Jahre. Je erfolgreicher der Sänger wurde, desto mehr driftete sein Leben in Drogen und Orgien ab. „Man hätte mich Little Cocaine nennen müssen, so viel von dem Zeug schnabulierte ich!“, sagte der Sänger. Und auch in dieser Zeit betete er regelmäßig und las in der Bibel. Ende der 70er Jahre wollte er erneut dem Showgeschäft den Rücken kehren und Pastor werden, er machte zudem christliche Musik. Sein Leben war von einem Konflikt zwischen christlicher Verwurzelung und sexueller Ausschweifung geprägt.

Die Biografie Ribowskys macht diesen Zusammenhang zwischen dem Rock ’n’ Roll der 50er und dem christlichen Glauben jener Zeit gut sichtbar. Denn diese Musik war gesellschaftlich für die verklemmten 50er Jahren revolutionär, für viele Teenager bedeutete sie eine Loslösung vom Elternhaus.

Gleichzeitig steht die Musik auf den Füßen der Gospel-Musik, die in den Kirchen der Schwarzen gesungen wurde. Der Begriff Rock ’n’ Roll selbst entstammt einem religiösen Hintergrund: In dem Lied „Get Rhythm in Your Feet“ aus dem Jahr 1935 heißt es: „Wenn dir Satan im Nacken sitzt, fang an zu rocken und zu rollen“, was sich im Lauf der Jahre zum Ausdruck „Rock Me“ verkürzte. Gleichzeitig hatte der Begriff aber auch eine sexuelle Konnotation. Auch Little Richard gab offen zu, dass es in vielen seiner Texte darum ging.

Anfang der 2000er entsagte Little Richard dem Treiben in der Musikindustrie erneut. In einem Interview mit dem religiösen Fernsehsender „Three Angels Broadcasting Network“ sagte Richard 2017: „Gott sagte mir, du kannst nicht zwei Herren gleichzeitig dienen. Lass es bleiben.“

Für seine letzten Lebensjahre wünschte er sich mehr wie Jesus zu sein und andere zu ermutigen, sich Gott ganz hinzugeben – unabhängig von der sexuellen Orientierung. „Ungeachtet dessen, wer du bist, liebt er dich. Er liebt dich und er kann dich retten, er will dich retten. Alles, was du tun musst, ist zu sagen: ‚Herr, nimm mich so, wie ich bin, ich bin ein Sünder.‘ Wir alle haben gesündigt und Gottes Herrlichkeit kommt in unserem Leben nicht mehr zum Ausdruck. Die einzige heilige, gerechte Person ist Jesus und er will, dass wir immer mehr so werden wie er. Ich will nicht mehr Rock’n‘Roll singen. Ich will heilig sein, so wie Jesus.“

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