Das Buch "Gott ist größer, als wir glauben" ist im St. Benno-Verlag erschienen und trägt den Untertitel: "Visionen für Kirche und Welt". Es beinhaltet Gespräche, die der Journalist Volker Resing mit der studierten Theologin und ehemaligen Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) führte. Die enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist diese Woche als neue Vertreterin des Bundes in den ZDF-Fernsehrat geworden.
Bei der Vorstellung des Buches am Mittwoch half ihr Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Er ließ sich vor zehn Jahren taufen und ist ebenfalls praktizierender Katholik. Bereits in einem gemeinsamen Interview mit Schavan zum Osterfest dieses Jahres sagte Rösler gegenüber der "Rheinischen Post": "Der Glaube ist kein Hindernis in der Politik. Im Gegenteil: Er ist mein innerer Kompass, daran orientiere ich mich." Und Schavan pflichtete ihm bei: "Der christliche Glaube bedeutet kein bestimmtes politisches Programm. In Sachfragen können Christen zu unterschiedlichen Auffassungen kommen. Der Glaube gibt uns Werte vor, die als Kompass wirken." Seit 2008 ist Rösler Mitglied im ZdK.
Obwohl katholisch: Stammzellenforschung befürwortet
Schavan fordert in ihrem Buch unter anderem die Gleichstellung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche. Ohne Frauen sei das Gemeindeleben in Deutschland nicht vorstellbar, so Schavan laut einem Bericht der "Katholischen Nachrichtenagentur" (KNA). Zugleich sei die Kirche auf der Ebene von Amt und Leitung "eine Kirche der Männer". Diese "Diskrepanz" führe zu einem stark zunehmenden Entfremdungsprozess zwischen den Frauen und der Kirche "und längst auch zwischen den Gläubigen und der Kirche". So sei etwa die Zahl der Theologiestudentinnen seit langem rückläufig. "Frauen haben in der Kirche kaum Berufsperspektiven", bemängelt Schavan in ihrem Buch.
Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal mahnt die CDU-Politikerin die Kirche zu "mehr Demut im Umgang mit dem Scheitern anderer" und zur strikten Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit. Der Schaden, den die Skandale nach sich zögen, sei groß, "und es wird lange dauern, bis die Kirche ihre Glaubwürdigkeit wiedergewinnt". Der Missbrauchsskandal sei auch Ausdruck von falsch verstandener Autorität, von Selbstgerechtigkeit und unterdrückter Kommunikation, schreibt die Ministerin.
Sie spricht in dem Buch auch Konflikte an, in denen sie als Politikerin und Katholikin oftmals stehe, etwa beim Thema Stammzellenforschung. Diese Methode ist umstritten, weil zur Gewinnung von Stammzellen menschliche Embryonen zerstört werden. Schavan hatte sich mehrfach für eine Ausweitung der Forschung mit Stammzellen ausgesprochen. In ihrem Buch schreibt die 55-Jährige: "Wer den Kompromiss generell ablehnt, kann sich mit dem Politischen nicht anfreunden." Der Erzbischof von Köln, Kardinal Meisner, warf Schavan damals jedenfalls einen "Missbrauch" des Wortes "katholisch" vor.
Für einen Christen komme vieles nicht infrage, sagte Schavan laut einem Bericht von "Welt online". "Wenn ich aber politische Verantwortung übernehme, stellt sich die Frage, wie viel Verantwortung ich auch für andere übernehmen möchte. Für mich ist es auch eine christliche Entscheidung, vor diesem Problem Respekt zu haben." Ein Politiker folge also nicht immer nur der persönlichen Meinung zu einem Thema. (pro)