Zum Abschied einen Mausklick

Was passiert mit virtuellen Spielfiguren, wenn deren Entwickler nicht mehr spielen möchten? Seit Mittwoch gibt es den Onlinefriedhof Herolymp, auf dem Spieler ihre Avatare begraben können. Die Stadt Frankfurt hat das ungewöhnliche Projekt als Hilfe für suchtgefährdete Spieler entwickelt. 
Von PRO

In Computerspielen kämpfen Spieler nicht selbst, sondern sie haben ihre virtuelle Spielfigur, einen so genannten Avatar. "Spieler entwickeln auf sozialer und emotionaler Ebene eine Bindung zu ihrer Spielfigur", sagt Florian Schweitzer, Student an der Frankfurter Academy of Visual Arts (AVA) gegenüber der "Welt". Er ist Mitentwickler des Avatar-Friedhofs "Herolymp" und hat eigene Erfahrungen mit Online-Rollenspielen:  "Dein Spieler entwickelt seine Figur über Monate oder sogar Jahre hinweg", verrät der 27-Jährige in "welt.de". "Er investiert Geld in ihre Ausrüstung und erkämpft sich innerhalb seiner Gilde unter den anderen Mitspielern einen sozialen Status, mit dem auch Anerkennung verbunden ist."

Die Gefahr, in eine Sucht oder suchtähnliches Verhalten abzurutschen, ist laut der Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann bei Online-Rollenspielen besonders groß. Studien zeigen, dass Online-Rollenspieler durchschnittlich 22 Stunden pro Woche mit ihrem Avatar verbringen. Das Konzept von Spielen wie "World of Warcraft" trägt seinen Teil dazu bei: Auch wenn ein Spieler Pause macht, läuft das Spiel im Internet weiter. Er muss also befürchten, etwas zu verpassen, wenn er nicht online ist.

Virtueller Ort der Trauer für liebgewonnene Spielfiguren

Dennoch wolle man Computerspiele nicht verteufeln, sagt Rottmann. Sie will nicht verbieten oder dramatisieren, sondern Hilfsangebote für Computerspielsüchtige oder gefährdete Spieler anbieten. Dafür hat ein Team der Frankfurter Academy of Visual Arts (AVA) ein bundesweit einmaliges Konzept entwickelt. Die Online-Ruhestätte "Herolymp" soll dazu helfen, sich von der vertrauten Spielfigur zu verabschieden – und damit auch aus dem Spiel auszuscheiden. "Wir wollen den Spielern das, was über lange Zeit hinweg wesentlicher Inhalt ihres Lebens war, nicht kaputt reden, sondern diese Leistung honorieren", so Johannes Bröckers, Dozent der AVA gegenüber  der "Welt". "Der von uns entwickelte ‚Herolymp‘ soll ein Ort sein, wo Spieler ihre liebgewonnene Figur in allen Ehren verewigen können. Es ist ein Ort der Trauer, der aber auch die Möglichkeiten bietet, Rat zu finden und mit anderen Spielern in Kontakt zu treten."

Ruhe in Frieden. Du hast mich zu viel Zeit gekostet

Bei "herolymp.de" können Spieler die Daten ihres Avatars, ein Bild sowie eigene Daten in eine Maske eingeben und hochladen. Per Suchfunktion können sie Avatare von anderen ansehen. Unter dem Stichwort "Testament" beschreiben Spieler, warum sie ihren Avatar beerdigt haben. So wie der frühere Besitzer von "Tocatli": "Ab und an mit der Gilde zocken macht Spaß, aber irgendwie bleibt es nie dabei." Die Löschung seines Accounts sei eine der erholsamsten Erfahrungen der letzten Jahre gewesen, schreibt er weiter. Auf der Deutschlandkarte werden die Wohnorte der zugehörigen Spieler angezeigt. Ein Spieler aus Nienburg schreibt: "Ruhe in Frieden, Thyralon. Es war schön, immer wieder. Aber es war zu viel Zeit, die du mich gekostet hast." Über die "Wall of Fame" können Spieler untereinander Kontakt aufnehmen. Auf der Internetseite sind außerdem Studienergebnisse zur Mediennutzung einsehbar, etliche Links verweisen auf Beratungsangebote.

25.000 Euro hat das Gesundheitsdezernat für die Maßnahme investiert. Die Seite www.herolymp.de soll über Plakate in U-Bahnen und auch im Internet beworben werden. "Wir müssen die Leute da abholen, wo sie sich aufhalten", sagt Rottmann. "Wir glauben zwar nicht, dass jemand aufhört zu spielen, nur weil es nun diese ‚Hall of Fame‘ gibt. Aber wir hoffen, dass es ein Anstoß für diejenigen ist, die den Ausstieg aus eigener Kraft bisher nicht geschafft haben." (PRO)

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