Zu viele überzogene Erwartungen an Pfarrer

Eine ARD-Dokumentation schildert den Arbeitsalltag evangelischer und katholischer Geistlicher. Der Beitrag zeigt, dass sie dabei oft an ihre persönlichen Grenzen gehen und vor einer Zerreißprobe stehen. Eine Rezension von Johannes Blöcher-Weil
Von PRO
Wäre an den immer mehr werdenden Aufgaben eines Pfarrers bald zerbrochen: der Theologe Matthias Storck

Thomas Berkefeld hat einen eng getakteten Terminplan. Der Theologe muss an diesem Sonntag drei katholische Messen lesen. Mit drei Priestern ist er für fast 23.000 Katholiken zuständig. Auch viele evangelische Theologen müssen sich um immer mehr „Schäfchen“ kümmern. Was sie dabei an ihre Grenzen bringt, beleuchtet die ARD-Dokumentation „Bevor es mich zerreißt – Pastoren am Limit“.

Der NDR hat in seiner Dokumentation einen evangelischen und einen katholischen Theologen in ihrem Berufsalltag begleitet. Redakteur Max von Klitzing beobachtet den Priester Thomas Berkefeld und den Pfarrer Matthias Storck, wie sie mit dem ständig veränderten und erweiterten Arbeitsumfang umgehen, der sie an ihre Grenzen bringt.

Priester Thomas Berkefeld hat mittlerweile neun verschiedene Arbeitsplätze in seinen Gemeinden. Dabei muss er den Überblick behalten. Für den Theologen bedeute diese Vielfalt auch, in vielen Bereichen umdenken zu lernen. In den unterschiedlichen Stadtteilen bediene er ganz verschiedene gesellschaftliche Schichten. Kindergottesdienst, Kommunion und ein Gespräch mit den Ministranten sorgten für große „gedankliche und emotionale Sprünge“ im Arbeitsalltag.

Noch mehr Menschen für Gott begeistern

Hinzu kämen noch zahlreiche Verwaltungsaufgaben. Für Berkefeld ist es deswegen wichtig, auch einmal „Nein“ zu sagen. Er habe einen freien Tag in der Woche. Die jährliche Woche mit Exerzitien und einem geistlichen Begleiter sei eine wichtige Auszeit für ihn. Der Beitrag betont, dass viele Angebote der Gemeinden dem Fleiß des Pfarrers zu verdanken seien. Der Zuschauer sieht aber auch einen erschöpften Theologen. Der möchte trotzdem weitermachen und „noch mehr Menschen begeistern und für Gottes Gemeinde motivieren“. Dazu sei er berufen und bekomme er von Gott Energie.

Matthias Storck ist evangelischer Pfarrer im ostwestfälischen Herford. Er ist für 4.500 Mitglieder seiner Kirchengemeinde zuständig. Er bekennt, dass er Zeiten hinter sich habe, in denen ihm der liebe Gott verloren gegangen war. Storck warnt auch vor zu überzogenen Erwartungen an einen Pfarrer. Die jetzige Entwicklung mit immer kleineren Gemeinden und größeren Aufgaben sei keine gute.

Den Menschen nahe sein

Er arbeite hart an seinen Predigten und sei auch „gierig nach Reaktionen an der Kirchentür“. Als Pfarrer wolle er den Menschen nahe sein. Er habe aber auch den Eindruck, dass er den Anforderungen der Gemeindemitglieder oft nicht genüge. Nach dem Gottesdienst besucht er das Flüchtlings-Cafè und bedankt sich bei den ehrenamtlichen Helfern. Den Sonntag verbringt er noch mit Verwaltungsaufgaben. Pfarrer hätten viele Aufgaben, die mit dem pastoralen Dienst nichts zu tun haben, aber trotzdem gemacht werden müssen.

Weil er an seine persönlichen Grenzen gekommen sei, habe ihn die Familie aus dem Verkehr gezogen. Tochter Hanna erlebte einen Vater, der „immer schlechter aussah und immer müder wirkte“, obwohl er nach außen professionell aufgetreten ist. Storck nimmt eine Auszeit im Kloster Barsinghausen. Das Angebot der evangelischen Kirche richtet sich an überforderte und ausgebrannte Hauptamtliche.

Dort gönnt sich auch Jürgen Bade eine Auszeit. Ihm sei es schwer gefallen zuzugeben, dass seine Kräfte am Ende sind. Auch die Tatsache, dass er mehr an offenen Gräbern als an Taufbecken stehe, machte ihm zu schaffen. In Barsinghausen habe er Ruhe, Gespräche und psychologische Betreuung bekommen, aber auch praktische Übungen gemacht.

Für Storck war das „Ausgebranntsein“ nicht die erste Belastungsprobe. Er hatte nicht nur viele Vakanzen zu vertreten, sondern saß auch 14 Monate im DDR-Gefängnis Bautzen. Die Strukturveränderungen hätten ihn fast mehr Kraft gekostet als die Zeit im DDR-Knast, bekennt er. Die 30-minütige Dokumentation verdeutlicht, dass Pfarrer nicht nur sonntags im Gottesdienst arbeiten. Der Beitrag zeigt das Dilemma, dass Pfarrer viel Verwaltungsarbeit leisten müssen, die sie von ihren eigentlichen Kernaufgaben, der Seelsorge und dem Dienst am Menschen, abhält.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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