Das Wort „Kreationismus“ ist mittlerweile verpönt. Es ist so negativ belegt, dass sich selbst Wissenschaftler, die laut Definition in diese Kategorie gut passten, es ablehnen, damit in Verbindung gebracht zu werden. Selbst „Intelligent Design“ hat – aufgrund jahrelanger Anfeindungen – diesen Status bereits erreicht. Beide Worte hörte man auf der Konferenz „Kreatikon“, die vom 3. bis 4. Oktober in Neuwied stattfand, so gut wie nie. Dabei geht es hier genau um die Frage, wie haltbar die Evolutionstheorie nach wissenschaftlicher Prüfung ist, und wie gut stattdessen die Vorstellung eines intelligenten Schöpfers zur wissenschaftlichen Forschung passen könnte. Die Vorträge sind im Nachhinein auf dem Youtube-Kanal der Kreatikon einsehbar.
Wenn 18- bis 35-Jährige ihre Kirchen verlassen und dem Glauben den Rücken kehren, dann sei ein Hauptgrund „die Wissenschaft“, stellte die evangelikale „Barna Group“ 2019 in einer Studie fest. Die widerlege die Aussagen der Bibel. Aber ist das so? Ein Dutzend Referenten versuchte am Wochenende, auf der Konferenz „Kreatikon“ aufzuzeigen, dass Wissenschaft die biblischen Berichte sogar stützen könnten.
Fachfremde Experten
Hinter der Konferenz stehen die christlichen Vereine „Schöpfung.info“ und „Bibelcenter Minden“.
„Schöpfung.info“ bringt eine kostenlose christliche Zeitschrift heraus, die nach Aussage der Initiatoren das Ziel hat, „den Glauben an die Bibel als Gottes Wort in allen Wissens- und Lebensbereichen zu stärken“. Das „Bibelcenter Minden“ betreibt ein Bibelmuseum zur Entstehungsgeschichte der Bibel, sowie die Wanderausstellung „Bibliatoura“. Die letzte „Kreatikon“ fand 2023 statt; das Motto des diesjährigen Treffens lautete „Kreation in Perfektion“. Anders als bei wissenschaftlichen Konferenzen üblich, waren alle Inhalte in einen gottesdienstähnlichen Kontext eingebettet – mit christlichen Liedern und gemeinsamen Gebeten.
Auffällig ist zudem, dass die Vortragenden in den meisten Fällen fachfremd sind. Da spricht ein Physiker über Biologie, ein Maschinenbauer über Fossilien, ein Mathematiker über Arten und Gattungen in der Tierwelt. Das muss die Qualität nicht mindern, der Besucher muss sich nur erst daran gewöhnen. Dass ein Lehrer für Informatik mit den Worten „Ich als Informatiker“ aber seine Argumente einleitet, wäre auf einer wissenschaftlichen Konferenz wohl unmöglich. Ein kritischer Austausch mit Andersdenkenden vom Fach ist auf der „Kreatikon“ ebenfalls nicht vorgesehen.
„Die Natur war perfekt von Anfang an“
Eine Kernaussage vieler Vorträge kann man zu einem zentralen Argument so zusammenfassen: Die Natur ist perfekt designt, alles funktionierte von Anbeginn tadellos, nichts musste hinzugefügt oder verbessert werden. Das widerspricht offensichtlich der Evolutionstheorie, wonach sich die Organismen in ihrer Komplexität erst über Millionen von Jahren entwickeln mussten.
Markus Blietz, der 1994 am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching promovierte und dann in der Halbleiterindustrie als Patentmanager arbeitete, referierte über Schönheit in der Natur. Anders als der Naturalismus behaupte, sei Schönheit durchaus objektiv messbar und stelle ein Problem für die Evolutionstheorie dar. Schönheit stehe hier für Ordnung, das impliziere Funktionalität und damit Überlebensfähigkeit. Sie habe aber zudem positive Auswirkungen auf den Betrachter, ja, Schönheit verweise „auf Wahrheit“. Kurz: „Bei der Schönheit ist nichts dem Zufall überlassen“, stellte Blietz fest. „Wie soll sich dieses System allein durch unintelligente, zufallsgesteuerte, natürliche Prozesse entwickelt haben? Wie kommt die Information in die Materie?“ Die Lösung könne nur ein intelligenter Urheber sein, und das sei keineswegs unwissenschaftlich.

Auch für nicht überzeugte Kreationisten dürften die Vorträge von Stefan Drüeke ihren Reiz haben: Der Lehrer für Chemie und Physik und Leiter des Bibel- und Schöpfungsmuseums in Wuppertal kann fachkundig über die Welt des mikroskopisch Kleinen sowie Fossilienfunde und Dinosaurier sprechen. Er forscht selbst seit vielen Jahren auf diesen Gebieten. Nachdem er Bilder von Nerven gezeigt hat, die Muskelfasern ansteuern, Axone und Dendriten und ihr Zusammenspiel, resümiert er: „Wie so ein Nerv durch Zufall entstehen soll, ist ein riesiges Rätsel.“
Wer sich genau anschaue, wie raffiniert die Füße eines Geckos gestaltet sind, damit er an der Decke laufen kann, und dabei die Van-der-Waals-Kräfte auf atomarer Ebene nutzt, komme ins Staunen. Warum aber Käfer, Fliegen und Spinnen völlig andere Techniken für fast dasselbe Ergebnis nutzen, könne die Evolution nicht erklären, so Drüeke. Danach brachte er ein Argument, das an diesen zwei Tagen öfters zu hören war: „Hier muss alles von Anfang an funktionieren, sonst klappt nichts.“
Ein (fossiler) Blick auf die bereits perfekt gestalteten Tiere des Kambriums zeigen laut Drüeke ebenfalls: Zwischen damals und heute gebe es bei den Tieren quasi keine Unterschiede. Sogar komplexe Facettenaugen seien bereits damals perfekt funktionell. „Das Auge war von Anfang an da. Durch Zufall kann so etwas im Grunde nicht entstehen“, so Drüeke und schließt daraus: „Das Kambrium beweist alles, nur keine Evolution.“
Anthropologie und Klimaforschung von Hobby-Wissenschaftlern
Tomi Aalto aus Finnland erklärte, dass die Theorie Charles Darwins zu den Finken und ihren Schnabeln, die ihn angeblich auf die Evolutionstheorie brachten, heute längst als widerlegt gelte. „Dennoch wird sie weiter überall auf der Welt in den Schulen gelehrt.“ Heute kenne man die Mechanismen der Epigenetik, die über das bloße Kopieren von DNA-Code weit hinaus reiche. Aaltos These lautet daher: Es gibt keinen Mechanismus wie Evolution; die Variationen innerhalb der Arten – wie bei den Darwin-Finken – kommen durch Epigenetik zustande, nicht durch Evolution.
Stuart Burgess, Professor für Maschinenbau an der Universität Bristol, betonte die Bedeutung der Ästhetik in der Natur. Es gebe funktionelle Schönheit sowie zusätzliche Schönheit, und besonders letztere weise auf einen Schöpfer hin, denn sie lasse sich nicht durch physikalische Funktionen erklären. Blumen etwa seien viel schöner, als es das Überlebensprinzip verlangen würde. Schönheit in der Natur sei daher offenbar als „eine Ermutigung für die Menschen“ gedacht.
» „Das Universum weist auf einen Schöpfer hin“
Axel Volk, Lehrer für Mathematik, Informatik, Wirtschaft und Deutsch sowie Schulleiter einer christlichen Realschule in Neuwied, zeigte sich überzeugt: „Viele sagen: Die sechs Tage im Schöpfungsbericht können nur symbolisch gemeint sein. Ich als Informatiker hab mit der wörtlichen Bedeutung kein Problem.“ Wenn man das Design einer Sache schon fertig habe, sei das eigentliche Erschaffen nur ein kurzer Akt – wie das Abrufen von Elementen einer Klasse beim Programmieren.
Helmut Welke mag ein renommierter Ingenieur im Ruhestand sein und sich über Jahre in das Spezialgebiet Anthropologie eingedacht haben. Aber wenn jemand von Knochenfunden der angeblich ersten Hominiden berichtet, von Lucy, dem Neandertaler und dem Homo erectus, hätten die Worte wohl noch mehr Gewicht, wenn sie von einem ausgewiesenen Paläontologen kämen. Welke stellt fest: „Alles, was man zum Neandertaler fand, deutet auf einen hoch entwickelten Menschen hin, nicht aber auf ein Tier. Er baute Musikinstrumente, baute Boote, trug Schmuck, erschuf Zeichnungen und bestattete die Toten.“
Gegen alle Wissenschaft: Vortrag zum Klima
Markus Blietz stellte sich in seinem Vortrag „Droht uns ein Klimakollaps?“ gegen die große Mehrheit der Klimawissenschaftler. Weder die Zahl der Hurrikans in den USA nehme zu, noch deren Stärke, die Tornados nähmen weltweit ab, die Dürren würden kürzer, außerdem habe es einen Wechsel von Kälte- und Wärmeperioden im Lauf der Erdgeschichte immer gegeben. Der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel sei nicht eindeutig zu erkennen. Und der erhöhte Gehalt an CO2 in der Atmosphäre komme schließlich dem Pflanzenwachstum zugute.
Das ist nicht nur unwissenschaftlich, es hatte auch rein gar nichts mit dem Thema der Konferenz zu tun. Beiträge solcher Art dürften dazu beitragen, dass auch die anderen Vortragenden, ja, das Thema Evolutionskritik insgesamt noch mehr als unwissenschaftlicher Unsinn in Misskredit gebracht wird.