Zinzendorf: Durch Liebe geadelt

Strategisch und visionär, dabei geprägt von Frömmigkeit und Lebensklugheit und getrieben von einer unerschöpflichen Liebe zum Heiland, so beschreibt der Autor des Buches "Zinzendorf – Glaube und Identität eines Querdenkers", Wilhelm Faix, den Reichsgrafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf und Pottendorf.
Von PRO

Die Biografie über den gläubigen Reichsgrafen und Theologen ist nun im Verlag der Francke-Buchhandlung Marburg erschienen. Zinzendorf, der Gründer und Bischof der Herrnhuter Brüder-Unität (Herrnhuter Brüder-Gemeine), ist Gegenstand einiger Biografien. Der Adlige, der im 18. Jahrhundert lebte, ist jedoch modern. Faix stellt in seinem Werk Zinzendorf als lutherischen Theologen und Pädagogen vor, aus dessen Leben und Werk Verantwortliche in Gemeinde und Kirche auch heute noch Impulse für Erziehung, Diakonie und Theologie in der Postmoderne schöpfen können.

Faix, der am Theologischen Seminar Adelshofen in den Fächern "Pädagogik und Psychologie", "Familie und Gemeinde" sowie "Biografie und Glaube" unterrichtet, beleuchtet Zinzendorfs Theologie und seinen Glauben anhand seiner Biografie. "Es soll hier der Versuch unternommen werden, aufzuzeigen, wie eng Biografie und Glaube im Leben von Zinzendorf zusammengehören", schreibt Faix.

Der Autor stuft Zinzendorf ein als "unkonventionell-warmherzigen" Menschen mit "extrovertiert-emotional" stabiler Persönlichkeitsstruktur. Zinzendorfs Glaube und Theologie, seine Dichtungen und Lieder seien geprägt von Liebe. Ebenso von einer geradezu kindlichen Liebe zu seinem Heiland, mit dem er in Kindertagen geredet hat wie mit einem Bruder. "1703 (Zinzendorf ist zu diesem Zeitpunkt 3 Jahre alt, Anm. d. A.) fing ich an Gott mit Ernst zu suchen, soviel es meine kindliche Ideen an die Hand gaben, sonderlich aber ist von der Zeit an mein beständiger Vorsatz gewesen ein rechter treuer Diener des gekreuzigten Jesus zu werden", zitiert der Autor den Reichsgrafen aus dessen Aufzeichnungen, die der 1727 festhielt. "So bin ich viele jahre kinderhaft mit Ihm umgegangen, habe stunden-weise mit Ihm geredet, wie ein freund mit dem andern, und bin, in der meditation, die stube fünfzigmal auf und ab gegangen", so Zinzendorf. Es macht Spaß, Faix dabei zu begleiten, wie er Schritt für Schritt, jedoch nie ausufernd, aber anhand vieler Zitate in der Sprache des Barock und Rokoko Zinzendorfs Biografie, seine Theologie und Pädagogik entfaltet: seine Kindertage, geprägt durch die liebende Großmutter, die Tante und den Hauslehrer; sein Aufenthalt am Pädagogium der Franckeschen Stiftungen in Halle, wo er stark im Sinne des Pietismus geprägt wurde, aber auch eine Abneigung gegen die pietistische Gesetzlichkeit entwickelte; seine musische Natur, die Zinzendorf jede Systematik zuwider machte.

Zinzendorfs Theologie ziele darauf ab, das Evangelium in die Herzen der Menschen zu pflanzen. Seine Kritik richte sich dabei gegen alle Bemühungen, die Menschen zu einem moralischen Leben anleiten zu wollen. Die Liebe sei eines der großen Themen, welches Zinzendorf sein Leben lang beschäftigt habe, so Faix, und er nennt als Grund die innige Liebe, die der Knabe durch seine Großmutter erfahren habe.

Zinzendorf, in den Augen des Autors ein Querdenker und Multitalent, hat in seinem Leben mehr als 2.000 Lieder und Gedichte verfasst. Als Veranstalter von Dichterwettbewerben ermutigte er seinerzeit etwa Gemeindeglieder dazu, eigene Dichtungen vorzutragen, einen "Poertyslam" im Stil des Barock sozusagen. Zinzendorf unterstrich stets die Individualität des einzelnen Menschen. "Wir mögen die Leute nicht gedrechselt. Es soll ein jeder in seiner unschuldigen Natur und in der Art, die er hat, hingehen", verlangte Zinzendorf. Dennoch führe die individuelle Erfahrung der Gnade in die Gemeinschaft mit anderen Menschen. So schreibt Zinzendorf: "Im Genuß sorgt man für sich selbst: aber sobald man die Gnade betrachtet, so sieht man sie als eine Gnade übers Ganze, über alle Geschwister an, und schätzt sich glücklich ein Glied am Leib zu sein."

In der Individualisierung des Lebens jedoch, im Rückzug ins Private, verortet Faix das Hauptproblem in unserer heutigen Zeit. Dem stellt er offene Lebensgemeinschaften gegenüber, wie sie Zinzendorf in Herrnhut einst ersann und umsetzte. Im Leben und Wandel Zinzendorfs sieht der Autor Chancen für die Christenheit in der Postmoderne. Dabei kritisiert er, dass Christen den Rückgang der Christlichkeit im öffentlichen Leben beklagten, statt selber Zeichen zu setzen.

Faix‘ Buch mündet schließlich in einem Appell für eine Renaissance der christlichen Gemeindepädagogik nach dem Vorbild Zinzendorfs und der Herrnhuter Brüdergemeine, die sich durch "die ganzheitliche Sicht des christlichen Lebens" auszeichnete und für die "christliche Verantwortung für diese Welt drei Wirkungsbereiche hat: Die Theologie (das Wort), die Diakonie (die Tat) und die Pädagogik (Erziehungsbedürftigkeit des Menschen, die Bildung)." (pro)

Wilhelm Faix: "Zinzendorf. Glaube und Identität eines Querdenkers", Francke Buchhandlung, 240 Seiten, Paperback, ISBN: 978-3-86827-339-7, 14,95 Euro

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