Dirk Evers hat sich schon seit längerem mit der Frage beschäftigt, ob Glaube und Wissenschaft vereinbar sind. Er ist Professor für Systematische Theologie an der Martin-Luther-Universität Halle und Präsident der European Society for the Study of Theology and Science. Auf die Frage der Wochenzeitung Die Zeit, wie gut das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft sei, sagte der Theologe im Interview: „Zwischen der Naturwissenschaft und dem Glauben gibt es eine ungeheure Spannung. Der eine Wissenschaftler löst sie auf, indem Gott auch in seinem Privatleben keine Rolle mehr spielt. Für andere ist das gut miteinander vereinbar.“ Als Beispiel nannte er den Physiker Michael Faraday (1791–1867), der jeden Tag gebetet habe.
Die Naturwissenschaft betrachte die Wirklichkeit in der Grundannahme so, als gäbe es Gott nicht. Alles andere wäre unwissenschaftlich, betont Evers. „Gott ist aus theologischer Sicht kein Gegenstand in der Natur, keine Kraft, die man in einem Naturgesetz festhalten kann. Er ist der Grund der Natur selbst.“ Daher habe alles, was in den Naturwissenschaften erforscht wird, etwas mit Gott zu tun.
Immanuel Kant: Gott für die Moral nötig
Viele Naturwissenschaftler seien der Meinung, das Leben sei so komplex, dass eine intelligente Schaffenskraft hinter der Entstehung stecken müsse. Diese „Designthese“ sei noch kein Gottesbeweis. Andererseits müsse man aber auch erst einmal beweisen können, dass das Leben durch Zufall entstanden ist.
Der Philosoph Immanuel Kant habe gezeigt, dass Gottesbeweise nicht möglich sind, „weil unsere Begriffe für das, was wir beweisen wollen, nicht ausreichen“, so Evers. „Wir müssen, wenn der Begriff Gott gefüllt werden soll, auf ein anderes Gebiet menschlicher Erkenntnis als die Erfahrung ausweichen. Und das – sagt Kant – ist das moralische Verhalten des Menschen.“ Der Mensch brauche Gott, „der das moralische Wesen des Menschen ergründen und erkunden kann und ihm am Ende des Lebens die entsprechende Seligkeit zuteilen kann“.
Auf die Frage „Was bringt es mir, an Gott zu glauben?“ antwortete Evers: „Einen Mehrwert bei der Erklärung der naturwissenschaftlichen Wirklichkeit bringt Gott nicht.“ Es sei jedoch problematisch zu sagen: „Ich brauche Gott nicht, um mir die Wirklichkeit zu erklären. Dann gibt es ihn auch nicht für mich“, weil es unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit gebe. Auch der freie Wille des Menschen sei bis heute nicht klar naturwissenschaftlich ergründet, dennoch werde er als solcher akzeptiert.
Von: Jörn Schumacher