„Zeit“-Beilage fragt: Wer sind die Evangelikalen?

Wer sind die Evangelikalen, und welchen Einfluss haben sie auf die Politik in Deutschland? Diesen Fragen geht die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" in ihrer aktuellen Ausgabe nach. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärt im Interview, warum sich seine Partei und die Evangelikalen so gut verstehen.
Von PRO

Unter der Überschrift "Die fromme Macht" schreiben Benjamin Lassiwe und Wolfgang Thielmann über konservative Protestanten, die Einfluss nehmen auf die CDU. Über Wolfgang Baake, den Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, heißt es: "Wolfgang Baake ist ein Schwergewicht. Es gibt nicht viele in der evangelikalen Bewegung wie ihn, Leute, die sich unter Politikern sicher bewegen." Baake vertrete die Evangelikalen bei der Bundesregierung.

Baake nennt als wichtigste Themen, welche die Evangelikalen besonders interessieren: Gentechnologie, Präimplantationsdiagnostik und vor allem Christenverfolgung. "Und die Bibel enthält Antworten auf unsere Fragen, sie gibt uns Weisung, wie wir argumentieren sollen", sagt Baake. Evangelikale stünden schnell unter Fundamentalismusverdacht. "Davon müssen wir herunter."

Herzensthema Christenverfolgung

Christenverfolgung sei sein Herzensthema. "Es hat ihm vor drei Jahren die Freundschaft mit Volker Kauder eingetragen, dem Fraktionsführer der Union im Bundestag", heißt es im Artikel. "Mit diesem Thema sind die Evangelikalen in Berlin in Führung gegangen." Die katholische Kirche dagegen gerate ins Hintertreffen, ebenso die Katholische Akademie der Bundeshauptstadt. "Baake netzwerkt virtuos. Seine Kontakte reichen tief in die Union, aber auch zu Rainer Brüderle und Guido Westerwelle." Nur zur Linkspartei, sagt Baake, pflege er keine Beziehungen. Die Evangelikalen seien parteipolitisch weniger auf die CDU festgelegt als noch vor zehn Jahren, ihr Spektrum reicht von rechtskonservativ bis zu den Grünen, schreiben Lassiwe und Thielmann. Während die großen Kirchen "für das Alte" stünden, seien die Evangelikalen "mit ihren vielen jungen Leuten" die Zukunft. Die Beziehung evangelikaler Christen zur Politik sei "immer noch jung, unverbraucht und unkritisch". Sie kämpften wie konservative Katholiken gegen Abtreibung, Sterbehilfe, Gender-Mainstreaming und Elterngeld.

Der Artikel geht auch auf die Landeskirchlichen Gemeinschaften ein, einen "frommen Flügel der evangelischen Kirche". Ihr Präses Michael Diener leitet seit einem Jahr auch die Deutsche Evangelische Allianz. "Ganz gewiss gibt es in vielen Fragen nennenswerte Schnittmengen zwischen den Positionen der Deutschen Evangelischen Allianz und der Union", so Diener. Er führe diese Nähe auch auf Baakes Arbeit zurück. Der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der Union nehme für sich in Anspruch, den Evangelikalen den Weg in die CDU gebahnt zu haben. "Im oft so gescholtenen evangelikalen Bereich befinden sich viele differenzierte Christen, die in den 60 Jahren des EAK einen wichtigen Beitrag geleistet haben", sagt der Bundesgeschäftsführer des EAK der CDU/CSU, Christian Meißner.

Hermann Gröhe lobt "ökumenisches Projekt"

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe antwortet im Interview mit "Christ und Welt" auf die Frage, ob die Union evangelischer oder evangelikaler geworden sei: "Weder das eine noch das andere. Einsatz für christliche Werte in der Gesellschaft braucht heute mehr denn je ein ökumenisches Fundament. Und die Union ist ein ausgesprochen erfolgreiches ökumenisches Projekt."

Das Thema Christenverfolgung sei dabei ein bedrängendes Thema", betont Gröhe. Christen seien die weltweit am härtesten verfolgte religiöse Gruppe. "Auch Außenminister Guido Westerwelle hat das Thema aufgegriffen", so Gröhe. Dabei habe sich die Union von allen Fraktionen des Themas am stärksten angenommen. "Gerade für unseren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder ist es eine Herzenssache." Gröhe gibt zu, dass Menschenrechtsfragen keine Wahl entscheiden. "Aber das Thema ist von großer Bedeutung im Hinblick auf unsere Glaubwürdigkeit und gewinnt auch durch die immer bessere und schnellere Information dank des Internets an Bedeutung." Er und seine Kollegen arbeiteten zwar "mit verschiedensten christlichen Gruppen aus dem katholischen wie dem evangelischen Bereich eng zusammen", doch seien es häufig gerade evangelikale Gruppen, die sich für bedrängte und verfolgte Glaubensgeschwister einsetzen. "Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass es oft missionarisch aktive evangelikale Gruppen sind, die in besonderer Weise zum Opfer von Hass und Gewalt werden, weil sie öffentlich zum christlichen Glauben einladen." Gröhe fährt fort: "Das einladende öffentliche Zeugnis vom eigenen Glauben gehört zum Christsein und ist durch das Recht auf Religionsfreiheit der Allgemeinen Menschenrechtserklärung eindeutig gedeckt."

Mega-Church in Deutschland

Die "Christ und Welt"-Ausgabe enthält außerdem einen Beitrag über das Stuttgarter Gospel-Forum, die "größte Mega-Church in Deutschland". Jede Woche strömen rund 2.500 Gläubige in die Gemeinde, über das Internet schalten sich zusätzlich Zuschauer in die Live-Übertragung des Gottesdienstes ein. Im Gospel-Forum arbeiteten 70 Hauptamtliche, darunter 13 Pastoren, und etwa 1.600 ehrenamtliche Helfer, stellen die Autoren fest. "Und das in einer Zeit, in der die evangelischen und katholischen Gotteshäuser leerer werden."

Pastor Peter Wenz sei "einer der eloquentesten und erfolgreichsten Prediger in der deutschen Kirchenlandschaft", heißt es weiter. "Vieles an dem drahtigen Gottesmann erinnert an US-amerikanische Heilsprediger aus den Bibelkanälen: der penibel getrimmte Haarschnitt, die durchtrainierte Lockerheit, vor allem aber diese Angewohnheit, einen Gedanken so zu präsentieren, als sei die Eingabe just in diesem Moment von ganz oben durchgereicht worden."

Der 53-Jährige Pastor erklärt: "Wir erleben gerade eine mächtige Ausgießung des Heiligen Geistes. Über 600 Millionen Pfingstler gibt es weltweit. In Südkorea sind Gottesdienste mit 80 000 Besuchern keine Seltenheit." Und "Christ und Welt" ergänzt: "Die Statistik scheint Peter Wenz recht zu geben."

"Christ und Welt ist eine sechsseitige Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit". Sie ging aus der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur" hervor und ist seit dem 2. Dezember 2010 Teil der "Zeit". (pro)

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