Zahl der getöteten Reporter gestiegen

Zum Jahresende haben zwei Organisationen, die sich für die Pressefreiheit einsetzen, ihre Jahresbilanz vorgelegt. Sowohl "Reporter ohne Grenzen" (ROG) als auch das "Committee to Protect Journalists" (CPJ) vermerkten eine deutliche Zunahme der Repressionen gegenüber Journalisten.
Von PRO

Laut der Statistik von ROG sind in diesem Jahr mindestens 66 Journalisten "während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs" getötet worden. Das sind neun Journalisten mehr als im Vorjahr. Das CPJ geht von 78 Tötungen aus, wobei sich bei 43 dieser Fälle ein konkretes Tatmotiv bestätigt habe. Der Großteil der Getöteten sei zuvor bedroht worden, bei vier Reportern habe man durch nachträgliche Untersuchungen auf Folter schließen können.

Auch die Zahl der Freiheitsberaubung ist laut ROG gegenüber 2010 deutlich angestiegen. Während im Vorjahr 535 Reporter festgenommen wurden, seien es in diesem Jahr 1.044. Angriffen und Drohungen sahen sich 1.959 Journalisten ausgesetzt (2010: 1.374). Mit 71 wurden in diesem Jahr zwanzig Reporter mehr als 2010 entführt.

Außerdem mussten in den vergangenen zwölf Monaten 70 Journalisten aus ihrer Heimat fliehen. In zehn dieser Fälle unterstützte das Nothilfe-Referat der deutschen ROG die Reporter bei der Beantragung von Asyl für die Aufnahme in Deutschland.

Berichte über Protestbewegungen sollen im Keim erstickt werden

Einen wichtigen Grund für den Anstieg der Repressionen sieht ROG in den Ereignissen um den "Arabischen Frühling", aber auch in Protestbewegungen in Ländern wie Sudan, Weißrussland oder Uganda. "2011 war in vielen Ländern ein Jahr der Demonstrationen und Kämpfe für Freiheit und Demokratie", sagte der Vorstandssprecher von ROG, Michael Rediske. "Die meisten Machthaber antworteten mit systematischer Gewalt. Nicht nur die Proteste sollten im Keim erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden."

Wie schon im letzten Jahr wurden in Pakistan mit zehn Todesfällen die meisten Reporter getötet. Zu den Ländern mit den meisten Tötungen gehören außerdem Irak (7) und Mexiko (5). Mit fünf getöteten Journalisten zählt erstmals auch Libyen zu dieser Gruppe. In der Bilanz weist ROG auch auf die zehn gefährlichsten Regionen, Städte und Plätze für Medienschaffende hin: Genannt werden hier die syrischen Städte Deraa, Homs und Damaskus. Gefährlich für Reporter sei es außerdem auf dem Tahrir-Platz in Kairo, im Distrikt Khuzdar in Pakistan oder im mexikanische Bundesstaat Veracruz.

CPJ wies neben Pakistan, Irak und Libyen vor allem auf Russland hin. Dort habe man am 15. Dezember mit Gadzhimurad Kamalov den  letzten Toten verzeichnet. Kamalov war Gründer der Zeitung "Chernovikl", die aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung oft unter politischer Bedrängnis stand.

Russland ist in den letzten Jahren mehrfach für den Umgang mit kritischen Medienvertretern gerügt worden. Erst in der Nacht zum Mittwoch wurde der bekannte Blogger Alexej Nawalny zusammen mit weiteren Oppositionellen nach 15 Tagen in Haft freigelassen. Nawalny hat sich mit einer Internet-Kampagne gegen Korruption in russischen Staatsunternehmen einen Namen gemacht. In seinem Blog protestierte er gegen die umstrittenen Parlamentswahl in Russland am 4. Dezember und wurde tags darauf festgenommen.

Mehr Repressionen gegenüber Online-Aktivisten

Überhaupt sähen sich weltweit Blogger und Internetaktivisten zunehmend Repressionen ausgesetzt, so ROG. In diesem Jahr sei es zu 199 Festnahmen gekommen, während sich die Zahl im Vorjahr auf 152 belief. Mindestens fünf Online-Aktivisten hätten ihr Leben verloren.

Der Anstieg hänge mit der zunehmenden Bedeutung von Bloggern und Internetnutzern zusammen. "In einigen Ländern haben Blogger eine zentrale Rolle bei der Berichterstattung übernommen, vor allem, wenn konventionelle Medien stark zensiert oder internationale Journalisten nicht ins Land gelassen wurden", so Rediske. Auch die Zahl der Länder mit Online-Zensur habe sich gegenüber 62 im Vorjahr auf 68 in diesem Jahr erhöht. Die Zensur bei konventionellen Medien sei mit 500 zensierten Medien konstant geblieben.

Die Organisation "Committee to Protect Journalists" wurde 1981 in New York von US-amerikanischen Auslandsreportern gegründet. Sie veröffentlicht regelmäßig Berichte über den weltweiten Stand der Pressefreiheit und zeichnet jährlich Reporter oder Menschenrechtsaktivisten aus, die aufgrund ihres Einsatzes verfolgt werden. Zum Führungsausschuss der Organisation gehören bekannte Reporter wie Christiane Amanpour.

"Reporter ohne Grenzen" wurde 1985 in Frankreich gegründet. Neben der Jahresbilanz veröffentlich ROG jedes Jahr den "Press Freedom Index", eine Rangliste zur Medienfreiheit in 176 Ländern. In der Rangliste von 2010 befindet sich Deutschland auf dem 17. Platz. (pro)

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