Zahl der Ehrenmorde wird steigen

Der Psychologie-Professor Jan Ilhan Kizilhan geht davon aus, dass die Zahl der Ehrenmorde in Deutschland steigen wird. In einer Studie der Universität Freiburg geht er den Motiven von Ehrenmördern auf den Grund. Mit dem Islam haben die Gewalttaten demnach nur wenig zu tun.

Von PRO

Kizilhan, Leiter der Arbeitsgruppe Migration und Rehabilitation an der Universität Freiburg, hat in einer Studie die Tatmotive von verurteilten Ehrenmördern untersucht. Dafür hat er mit 21 türkischstämmigen verurteilten Männern in Deutschland gesprochen, und ihre Antworten mit denen von 44 anderen türkischstämmigen Gewalttätern verglichen. Der "Tageszeitung" (taz) und dem "Deutschlandfunk" (DLF) gab er in Interviews Auskunft über seine Ergebnisse. Demnach geht er davon aus, dass die Zahl der Ehrenmorde in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren in Deutschland steigen wird. Den Grund dafür sieht er in einem wachsenden Generationenkonflikt unter Migranten. Während die erste Generation ihre Werte nicht aufgeben wolle, habe etwa die vierte Einwanderer-Generation einen eher westlichen Sozialisationsprozess durchlaufen. Das könne künftig zu mehr Gewalt führen.

Ehrenmörder: keine typischen Killer

Die Motive der Täter seien keineswegs rein religiös. "Auch wenn in den Medien ‚Ehrenmorde‘ und Islam miteinander verbunden werden – ‚Ehrenmorde‘ sind eine vorislamische Tradition, die in manchen islamischen Gesellschaften noch akzeptiert wird. Wenn wir uns den Koran anschauen, finden wir den Aspekt des ‚Ehrenmords‘ so eindeutig nicht", sagte Kizilhan der taz. Dennoch seien Ehrenmörder in der Mehrzahl religiöser und patriarchalischer als andere Täter. Meist kämen sie zudem aus kollektiv-traditionellen Gesellschaften. Viele hätten in ihrer eigenen Kindheit Gewalt erlebt. "Ein sogenannter Ehrenmörder handelt auch nicht aus einem Impuls heraus, er hat die Tat schon lange Zeit im Voraus geplant, meistens über Monate hinweg", sagte Kizilhan. Ehrenmörder wiesen keinesfalls die typischen Merkmale eines Killers oder Gewalttäters auf. Sie seien vorher in der Regel nicht straffällig geworden. "Bis zu dieser Tat handelt es sich um ganz gewöhnliche Mitglieder der Gesellschaft, die dann durch eine Ehrverletzung ins Wanken gebracht werden."

Das Phänomen der Ehrenmorde sei nicht nur in muslimischen Kulturkreisen zu suchen, sondern existiere auch in Süditalien, Brasilien, Indien oder Griechenland. "Es gibt im weitesten Sinne sogenannte Ehrenmorde auch in der deutschen Gesellschaft, aber es ist seltener. Die meisten ‚Ehrenmorde‘ werden von Muslimen an Muslimen begangen. Ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren im arabischen und türkischen Raum gestiegen", erklärte der Psychologe. (pro)

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