„Younow“: Peepshow aus dem Kinderzimmer

„Younow“ ist der neue Trend bei Kindern und Jugendlichen. Per Streaming-Dienst zeigen sie so selbstgedrehte Videos live im Netz. Dabei verkennen sie aber die Gefahren, warnen Jugendschützer.
Von PRO
Bei "Younow" lassen sich Videos in Echtzeit streamen. Gleichzeitig kann man mit den Zuschauern chatten. Viele Nutzer gewähren Fremden so Einblick in ihr Privatleben
Echtzeitbilder von Teenagern im Schlafanzug vor Boyband-Postern, beim Frisieren und Schminken, in der Schule, beim Sport – das alles kann jeder Zuschauer auf der Video-Plattform „Younow“ sehen. Und über die integrierte Chat-Funktion direkt mit den Jugendlichen kommunizieren. Jugend- und Datenschützer sind besorgt. Viele Eltern wüssten über die Online-Aktivitäten ihrer Kinder nicht Bescheid, warnen Experten. „Kommunikationsplattformen wie ,Younow‘ sind hoch problematisch“, sagte nun ein Sprecher des Familienministeriums gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). Sie verleiteten junge Nutzer dazu, Einblicke in ihre Privatsphäre zu gewähren. Meist seien die Kinder zudem eindeutig identifizierbar. Dadurch würden „Mobbing durch Gleichaltrige und sexuelle Belästigungen durch Erwachsene“ erleichtert. Einen internetfähigen Rechner mit Webcam oder ein Smartphone mit Kamera und der App – mehr benötigen Nutzer nicht, um ihre Aufnahmen live ins Netz zu übertragen. Der Dienst wurde 2011 in den USA gegründet, seit vergangenem Jahr gibt es „Younow“ auch in Deutschland. Allein im Januar sendeten hiesige Nutzer 16 Millionen Streams, wie das Magazin Stern Anfang Februar berichtete.

Bereits Achtjährige vor der Kamera

Zwei Stern-TV-Redakteurinnen stießen bei ihrer Recherche auf der Plattform schon nach kurzer Zeit auf minderjährige Nutzer, die eindeutig sexuelle Kommentare zu ihren Livebildern erhielten. Eine 13-Jährige etwa sei der Aufforderung, ihren BH zu zeigen, nach kurzer Zeit gefolgt. Bereits Achtjährige gäben bei „Younow“ Fremden Einblicke in ihr Privatleben. „Besonders die Einfachheit von ,Younow‘ fasziniert Jugendliche“, erklärte Otto Vollmers, Geschäftsführer des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), der dpa. Damit testeten Jugendliche ihre Wirkung im Wettstreit mit anderen Nutzern aus. Je mehr Zuschauer ein Nutzer hat, desto höher seine Position in der Ranking-Liste. Darauf zielen viele Teenager ab. Neben der Gefahr der sexuellen Belästigung der Kinder warnen Beobachter davor, dass die jungen Onliner ihre Adressen oder Telefonnummern veröffentlichen: „Die Kinder geben viel zu viel von sich preis, oft ohne das Wissen ihrer Eltern. Stalking und sexueller Belästigung sind hier Tür und Tor geöffnet“, sagte die Jugendschutz-Expertin Beate Krafft-Schöning gegenüber dem Stern. Problematisch sei zudem, dass sich viele Nutzer mit ihren echten Namen anmeldeten, um von Freunden und Bekannten leichter gefunden zu werden. „Das ist ein Paradies für jeden, der irgendwas mit Kindern vorhat, zum Beispiel Pädosexuelle“, so Krafft-Schöning.

Kindern mangelt es an Medienkompetenz

„Younow“-Nutzer müssen mindestens 13 Jahre alt sein. Das geht aus den Nutzungsbedingungen der Streaming-Dienstes hervor. Darin steht auch explizit, dass das Zeigen nackter Haut, Beleidigungen, Gewalt oder Drogenkonsum vor der Kamera verboten sind. Das Regelwerk verbietet zudem die Preisgabe persönlicher Daten. Das Unternehmen musste aber eingestehen, dass es keine lückenlose Überwachung gibt: „Es dauert einfach, bis wir ein Kontrollsystem aufgebaut haben. In den vergangenen zwei Monaten waren wir nicht auf dem Sicherheitslevel, den wir gerne hätten, aber wir verbessern uns täglich“, sagte „Younow“-Gründer Adi Sideman gegenüber Stern-TV. Kinder und Jugendlichen mangele es häufig an der nötigen Medienkompetenz. „Für Kinder ist der Dienst nicht geeignet“, lautet daher die Empfehlung des Familienministeriums. „Younow“ betreibe keine Vorsorge, um Kinder und Jugendliche wirkungsvoll vor Übergriffen und Gefährdungen zu schützen. „Altersangaben werden nicht verifiziert und das Angebot lässt sich nicht so einstellen, dass die Zugänglichkeit von Live-Streams beschränkt werden kann“, so der Ministeriumssprecher. Mit Verboten lasse sich die Gefahr des Missbrauchs der Plattform ohnehin nicht verhindern. Es sei viel wichtiger, Kinder und Jugendliche für die Probleme zu sensibilisieren und ihr Bewusstsein für ihr eigenes Handeln zu schärfen. „Immer schneller kommen durch Internet und Smartphones neue Erziehungsherausforderungen auf die Eltern zu“, erklärte Thomas Feibel, Medienexperte aus Berlin. Für ihn liegt der Schlüssel in Aufklärung der Kinder: „Nur wer seinen Kindern feste Regeln vermittelt, muss vor der nächsten Herausforderung keine Angst haben.“ Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) bietet Kindern, Eltern und Pädagogen auf seiner Internetseite Hinweise für eine verantwortungsvolle Nutzung von „Younow“. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/medienkompetenz-gesucht-87825/
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/keine-sexuelle-verwahrlosung-87342/
https://www.pro-medienmagazin.de/paedagogik/detailansicht/aktuell/eltern-sollten-kinder-bei-nutzung-von-social-media-begleiten-86937/
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen