Wulff-Affäre: „Die Luft ist raus“

Bundespräsident Christian Wulff hat seine Kredit- und Medienaffäre weitgehend überstanden – und verdankt dies auch der ZDF-Journalistin Bettina Schausten. Diese These vertritt der Kommunikationsberater Hasso Mansfeld. 72 Prozent der Deutschen sehen Wulffs Image aber dauerhaft beschädigt.

Von PRO

"Das Blatt hat sich am vergangenen Mittwoch um exakt 20:31 Uhr gewendet", erklärte Mansfeld gegenüber dem Branchendienst "Werben & Verkaufen". Gemeint ist die Stelle in Wulffs Fernsehinterview mit ARD und ZDF, an der die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Bettina Schausten, den Bundespräsidenten fragt, was denn dagegen spreche, Freunden pro Übernachtung 150 Euro zu geben. Wulffs Rückfrage "Machen Sie das bei ihren Freunden so?" beantwortete Schausten mit "Ja". Bereits wenige Stunden später wurde sie für dieses Statement auf verschiedenen Internetseiten und in sozialen Netzwerken verspottet. Die satirische Facebook-Gruppe mit dem Titel "Fr. Schausten muss ihre bezahlten Übernachtungen bei Freunden offenlegen" hat bis heute über 8.000 Fans, die Journalistin bekam zahlreiche Angebote von TV-Zuschauern, umsonst bei ihnen übernachten zu dürfen.

Darin sieht Mansfeld die Trendwende, und zwar "in dem Moment, als Frau Schausten sich darin verstiegen hat, mit ihren 150 Euro Übernachtungsgebühren einen Maßstab einzufordern, den kein Mensch mehr weder erfüllen kann und erfüllen will. Damit ist die Stimmung nicht unbedingt für Wulff, aber gegen die Medien gekippt." Die Journalisten Ulrich Deppendorf und Bettina Schausten hätten Wulff bei dem Interview nach Wahrnehmung der Bevölkerung als Repräsentanten der deutschen Medienlandschaft gegenübergesessen. "Herr Wulff hätte allen Grund, jetzt Bettina Schausten für seine Rettung einen Orden zu verleihen."

Schausten muss zurückrudern

Hasso Mansfeld, der als selbstständiger Berater in Bingen arbeitet und bereits drei Mal mit dem deutschen PR-Preis ausgezeichnet wurde, sieht in der Geschichte eine weitere Ironie: Es sei ausgerechnet Bettina Schausten gewesen, die im Sommer  bei dem "Schmuh" um Christian Wulffs Sommerinterview mitgemacht habe. Bei dem Interview auf der Insel Norderney war der falsche Eindruck suggeriert worden, Wulff befinde sich gerade im Urlaub. Der Bundespräsident sagte, dass er sich auf die Tage mit seiner Familie freue und dies eine gute Gelegenheit zum "innehalten" sei. "Dabei war er gar nicht im Urlaub", so Mansfeld, "und ist extra für das Gespräch morgens von Berlin nach Norderney und am Nachmittag wieder zurückgeflogen."

Die studierte Theologin Schausten zeigte sich über die Reaktionen im Internet überrascht bis amüsiert, musste sich aber gegenüber Kollegen von anderen Medien mehrfach für ihre überraschende Behauptung rechtfertigen. "Natürlich nehme ich kein Übernachtungsgeld für meine Gästematratze", sagte sie gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Darum sei es aber bei dem Gespräch nicht gegangen. Wulff habe bei dem Interview versucht, das Thema durch seine Gegenfrage auf eine rein privat-menschliche Ebene zu verschieben. Schausten bekräftigte, Freunden, bei denen sie übernachte, einen Unkostenbeitrag anzubieten.

Wenige Tage zuvor hatte Mansfeld gegenüber der Onlineausgabe von "Werben & Verkaufen" das Verhalten der Medien im Fall Wulff kritisiert und sie zur Mäßigung aufgerufen. "Bild"-Chef Kai Diekmann habe "Gott gespielt" und der Republik beweisen wollen, dass man ohne seine Zeitung keine Politik betreiben könne. Mittlerweile habe sich die "Hysterie" der Medien in "Ratlosigkeit" verwandelt: "Man muss ganz klar konstatieren: Die Luft ist raus." Andere Nachrichtenthemen würden wieder mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekommen, alles, was an neuen Vorwürfen gegen Christian Wulff auftauche, seien nur noch "Ausläufer des Gewitters der vergangenen Wochen."

Politbarometer: Knappe Mehrheit gegen Rücktritt

Auch wenn Wulff nach der Auffassung Mansfelds die Affäre demnach überstanden hat, sind 72 Prozent der Deutschen der Überzeugung, er sei in seiner Funktion als Bundespräsident dauerhaft beschädigt. Nur 24 Prozent sehen das nicht so. Die Zahlen wurden von der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer ermittelt. 61 Prozent schätzen Wulff als "eher nicht glaubwürdig" ein, während 34 Prozent sagen, er sei "eher glaubwürdig". Eine knappe Mehrheit von 50 Prozent ist dennoch gegen einen Rücktritt Wulffs, 44 Prozent würden einen solchen Schritt befürworten. (pro)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen