„Wort zum Freitag“ – Predigt des Imam oder Dialog mit Andersgläubigen?

M a i n z (PRO) - Ab Mai soll es ein "Wort zum Freitag" im Online-Angebot des ZDF geben. Doch wird es darin erbauende Ansprachen für Muslime geben, oder sollen Deutsche in der Sendung mehr über diese Religion erfahren und kritisch nachfragen dürfen? Darüber streiten die Fernsehmacher derzeit mit muslimischen Vertretern.
Von PRO

Anfang Februar verkündete der Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, die Pläne für eine neue regelmäßige Islam-Sendung. Vorbild soll das „Wort zum Sonntag“ sein, in dem seit 50 Jahren jeden Samstagabend Vertreter des christlichen Glaubens in der ARD vier Minuten Sendezeit für ein geistliches Wort erhalten. Fest steht bislang: Das „Wort zum Freitag“ soll auf Deutsch gesprochen und als Video im Internet ausgestrahlt werden.

Es diene vor allem der „Auseinandersetzung mit dem Islam“, hieß es aus Mainz. Nicht nur Imame sollen zu Wort kommen, sondern auch deutsche Kommentatoren, die aktuelle Themen aufgreifen und zur Diskussion anregen. Die ZDF-Kirchenredaktion behandle zur Zeit das Thema Islam mit besonderer Aufmerksamkeit. Wenn die Sendung bei den Online-Zuschauern gut ankomme, sei eine Ausstrahlung auch im normalen Sendebetrieb denkbar.

Dialog oder Freitagspredigt

Die Adressaten seien nicht nur Muslime, sondern „die gesamte deutsche Gesellschaft, die den Islam nicht so genau kenne“, sagte Brender in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) vom Dienstag. „Deswegen hat die Gesellschaft das Recht, diese Religion durch Nachfragen besser kennen zu lernen. Deshalb stelle ich mir formal sehr stark eine Dialogform vor. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Religion wieder stärkere Beachtung erfährt, das wird die Kirchenredaktion mit in ihre Überlegungen einbeziehen.“ Derzeit bereite die Kirchenredaktion des ZDF das Format vor.

Doch wie ausgeprägt diese „Dialogform“ sein soll, darüber gibt es Streit. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte im Gespräch mit der F.A.Z., es sei nicht sinnvoll, wenn der zu schaffende Sendeplatz lediglich als ein weiteres Forum für eine „Auseinandersetzung mit dem Islam“ genutzt werde. „Da gibt es schon genug Talkshows, in denen das stattfindet“, sagte er.

Zudem liege die Verantwortung für die Inhalte der islamischen Beiträge in dieser Sendung „selbstverständlich bei den islamischen Verbänden“, sagte Mazyeks. ZDF-Chefredakteur Brender hatte in der F.A.Z. klargestellt: „Die redaktionelle Verantwortung liegt beim ZDF, das ist doch klar.“

Am Ende ein „Wort für alle“?

Mazyek wünscht sich für die Sendung – und dabei beruft er sich auf den Gleichheitsgrundsatz der deutschen Verfassung – ein Forum für Predigten von Vertretern anderer Religionsgemeinschaften. Eine „unaufgeregte und offene Debatte“, wie Mazyek sagt. Er könne sich vorstellen, dass sich Muslime einen Platz mit den christlichen Kirchen, Juden oder Agnostikern teilten. „Man kann auch durchaus darüber nachdenken, ob das derzeitige Konzept, nach dem Öffentlichkeit für Religion geschaffen wird, völlig neu gestaltet werden kann“, sagte Mazyek.

Ähnliches schlug der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Salomon Korn, vergangene Woche vor: Er forderte „gleiches Recht für alle“ und regte ein „Wort zum Wochenende“ an, in dem alle Religionen ihre „moralischen Grundsätze“ darstellen könnten. Schließlich preschte der „Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten“ (IBKA) in die andere Richtung vor: Bevor auch noch der „Zentralverband der Regentanzschamanen“ seine öffentlich finanzierte Werbeplattform erhalte, sollten besser sämtliche „Vorzugsbehandlungen“ für Religionen im Fernsehen abgeschafft werden.

Der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Bekir Alboga, lobte die Pläne des ZDF: „Ich freue mich darüber, dass die Äußerung von Innenminister Schäuble auf dem Islamgipfel, der Islam sei ein Teil von Deutschland, offenbar nicht nur ein Lippenbekenntnis war.“ Noch in dieser Woche sei ein Treffen mit Vertretern des ZDF geplant. Details zur Sendung könnten immer noch diskutiert werden. Fest stehe jedoch auch für ihn, dass das Vorbild für die Islam-Sendung das „Wort zum Sonntag“ sein könne.

Alboga forderte im „Deutschlandradio“ einen festen Sendeplatz im TV-Programm. „Wir bezahlen ja auch Steuern.“ Das „Wort zum Freitag“ könne einen Beitrag zur Aufklärung über den Islam leisten – nicht nur unter den Christen, sondern auch bei den Muslimen, so Alboga. „In Deutschland steigt die Angst vor dem Islam jedes Jahr um 5 bis zehn Prozent. Diese Angst entsteht dadurch, dass man sehr schreckliche Bilder aus dem Nahen Osten sieht.“ Diese Bilder würden mit dem Islam gleichgesetzt – auch von vielen Muslimen in Deutschland. Der Aspekt der Information sei aber nicht alles: „Das wird schon ein spirituelles Wort sein, in dem man das Wort Gottes und seines Gesandten zitiert“, so der Imam.

Am Mittwoch will der Koordinierungsrat der islamischen Verbände in Deutschland über die Sendung beraten. Dem Rat gehören neben der DITIB und dem Zentralrat der Muslime der Islamrat und der Verband Islamischer Kulturzentren in Deutschland an.

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