Woran die kirchliche Sprache krankt

Die Kirche muss ihre Sprache neu erfinden. Diese Meinung vertreten die beiden Autoren Jan Feddersen und Philipp Gessler. In ihrem Buch „Phrase unser“ ergründen sie, warum die Sprache der Kirche und die Kirche selbst in der Krise stecken. Doch es gibt auch Lichtblicke. Eine Rezension von Martin Schlorke
Von PRO
„Phrase unser“ leistet einen Beitrag zur Erneuerung kirchlicher Sprache

Zu weltfremd, zu inhaltsleer, zu alt, zu unverständlich: Die Sprache der Kirche sieht sich viel Kritik ausgesetzt. Dass dies nicht zu Unrecht der Fall ist, beschreiben Jan Feddersen und Philipp Gessler in ihrem Buch „Phrase unser“. Gewissermaßen sei die kirchliche Sprache Fluch und Segen zugleich, stellen die Autoren fest. Zum einen stelle sie das wichtigste Mittel der Verkündigung dar. Ohne Sprache sei Kirche nicht denkbar. Auf der anderen Seite sei zu beobachten, dass kirchenfremde Menschen die Sprache nicht mehr verstünden. Die zentrale Aufgabe, nämlich die Verbreitung des Evangeliums, leide darunter.

In „Phrase unser“ ergründen die Journalisten Feddersen und Gessler systematisch die Problematik und Herausforderungen hinter dem Phänomen der kirchlichen Sprache. Interessant dabei sind die vielen Einflüsse, die auf die Sprache Einfluss genommen haben und im Buch thematisiert werden. So spiele beispielsweise in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts die „Sozialpädagogisierung der kirchlichen Sprache“ eine entscheidende Rolle. Die pädagogische Sprache sickerte gewissermaßen in die Kirchen ein. Sie sei weich oder ungenau. Hierarchien und Machtverhältnisse würden nicht benannt. Sie ersetzte die missionarische, pathetische und bildgewaltige Sprache aus den Fünfzigerjahren. Durch ein zeitgleich stärker werdendes karitatives Interesse der Kirchen wurden außerdem Randgruppen mehr angesprochen. Die Mehrheit rutschte ein Stück weit aus dem Fokus.

Neben Unterschieden zwischen katholischer und evangelischer Kirche wird im Buch auch zwischen verschiedenen Milieus innerhalb der beiden großen Kirchen unterschieden.

Im Buch finden sich eine Vielzahl an Aussagen und Einschätzungen von Fachleuten und Kirchenkennern wieder, die teilweise verschiedene Ansichten vertreten. Es wird deutlich: Die Autoren arbeiten sich nicht einfach an Kirche ab, sondern versuchen den Ist-Zustand zu analysieren und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Dabei wird ebenfalls die Sprachentwicklung im kirchlichen Kontext der letzten Jahrzehnte zu Rate gezogen. Diese wird weniger anhand von Beispielen erklärt, als vielmehr mit Eigenschaften beschrieben.

Mit alter Poesie in die Zukunft

Diese Zukunft, beziehungsweise die der kirchlichen Sprache, habe trotz ihrer Schwächen viel Potential und Stärken, meinen die Autoren. Eine solche Chance sehen sie beispielsweise in der Poesie der Psalmen oder der bildhaften Sprache des Propheten Jesaja. Bei so einer Sprache sei es gar nicht unbedingt notwendig, Jesus oder Gott explizit zu nennen. Die bildgewaltige Sprache könne auch ohne göttliche Nennung auf den Schöpfer verweisen.

„Vielleicht“, so schlussfolgern die Autoren, „fehlt es den Kirchen an Vertrauen in die Schönheit und Kraft ihrer Bilder und Rituale“. Diese Leere versuchten Kirchenvertreter mit Worten zu füllen, die das aber gar nicht zu leisten vermöchten. Es gehe nicht darum, einfach eine moderne Sprache zu verwenden. Entscheidend sei, dass die Sprache von Glauben, Leben und Leidenschaft getragen werde. Davon sprechen viele Psalmen.

Wörterbuch für Kirchensprache

Auch wenn Feddersen und Gessler keine Patentlösung parat haben, leisten sie mit Hilfe des Buches einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der kirchlichen Sprache. Als kleines Schmankerl beinhaltet das Buch ein Glossar, welches typische kirchliche Sprache in einzelnen Worten beinhaltet. Diese werden – ohne Abwertung – in kurzen Absätzen erklärt. Vielmehr ist es ein Nachschlagewerk, um Begriffe wie „Austausch“, „dankbar“ oder „kostbar“ in ihrer kirchlichen Bedeutung zu verstehen. So sei Dank die Antwort auf gute Dinge, die das Leben erträglicher machen. Während der wiederholte Dank im staatsbürgerlichen Sinne eher unpassend sei, verdiene er im christlichen Kontext größeres Gewicht. „Kostbar“ finde sich in der kirchlichen Sprache erst in der jüngeren Zeit wieder und beschreibe eine besondere Qualität.

„Phrase unser“ ist für all die zu empfehlen, die Hintergründe zur kirchlichen Sprache erfahren und sie an die Umstände unserer Zeit anpassen wollen – ohne stumpf Anglizismen aneinanderzureihen.

Jan Feddersen, Philipp Gessler: „Phrase unser. Die blutleere Sprache der Kirche“, Claudius, 284 Seiten, 20 Euro, ISBN 9783532628447

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