Wohin die Freiheit führt

Neçla Kelek gilt als eine der großen Kritikerinnen des Islam. Am Dienstag hat die Soziologin ihr neues Buch "Hurriya heißt Freiheit" in Berlin vorgestellt – eine Reisereportage zur arabischen Revolution. Überraschend daran ist vor allem ihr Bekenntnis zu den Traditionen des Glaubens.

Von PRO

Diese Neçla Kelek kennt der Leser noch nicht: Übermannt von der Trauer um ihre verstorbene Mutter kniet ausgerechnet sie, die ewige Islamkritikerin, auf dem Boden einer Moschee in Kairo. Sie wiegt sich hin und her, betet, weint und spricht das Glaubensbekenntnis des Islam. Als sie sich wieder gefasst hat, übersetzt ihr eine Frau die Predigt des Muftis: "Er redet nicht über die brutale Misshandlung einer Frau auf dem Tahrir-Platz durch das Militär, die die Menschen schon seit Tagen empört und in Rage versetzt. Er redet auch nicht über den Imam seiner Universität, der vor dem Innenministerium erschossen wurde. Der Mufti redet über den Feind Israel", schreibt Kelek.

Viel hat sich geändert in Ägypten, Tunesien und Marokko, seit die arabische Revolution begonnen hat – Nicht genug, ist der Eindruck, der nach der Lektüre von Keleks neuem Buch "Hyrriya heißt Freiheit" bleibt. Gemeinsam mit dem Autor Peter Mathews ist sie durch die drei Staaten gereist, die Zentrum der Umbrüche des "arabischen Frühlings" sind. In Berlin berichtete sie am Dienstag über ihre Erlebnisse. "Die Liberalen sind eine ganz kleine Gruppe", sagte sie etwa über Ägypten. Gerade die Frauen würden heute von den konservativen Salafisten und Muslimbrüdern unterdrückt, die vor allem unter den Ärmeren eine große Anhängerschaft hätten. Eine notwendige Debatte über Religion und deren Traditionen bliebe aus. So seien etwa bis heute 95 Prozent der ägyptischen Frauen beschnitten – und das, obwohl diese Form der Genitalverstümmelung seit 2007 illegal ist.

"Der Islam war in den 50er und 60er Jahren weiter als heute", erklärte Kelek. Seit der iranischen Revolution im Jahr 1979 strebe der politische Islam jedoch zunehmend nach Macht. "Die Menschen müssen in der Lage sein, den Islam als Religion zu begreifen und nicht als eine Gesellschaftsform", forderte die Soziologin. Von der Durchsetzung der Scharia, körperlichen Strafen und der Unterdrückung der Frau müsse sich der Islam verabschieden. Am Ende gab sich Kelek doch ein wenig optimistisch: Die tunesische und ägyptische Bevölkerung vereine nun die Erfahrung, einen Despoten verjagt zu haben. Dieser Triumph könne weitere nach sich ziehen: "Die Debatte innerhalb der islamischen Bevölkerung wird geführt werden." (pro)

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