„Als das Christentum so alt war wie der Islam heute, 1.435 Jahre, begann es die beiden Reiche Religion und Politik zu trennen“, schreibt Bittner in der Zeit. Diese von den Reformatoren wie Martin Luther, John Wycliff und Jan Hus eingeleitete Trennung sei der erste Schritt Europas in die Moderne gewesen. „Warum schafft der Islam bis heute nichts Vergleichbares?“, fragt der Journalist.
In den zahlreichen Fernseh-Talkshows über den Islam vermisse er die Darstellung eines reformierten Islam. Denn es gebe durchaus einen innerislamischen Streit um die Zeitgemäßheit des Glaubens, ist Bittner überzeugt. „Bloß bilden die Jauch-Sendungen ihn nicht ab. Dabei wäre es nicht nur eine weltpolitische, sondern auch eine extrem spannende Show, einmal einen islamischen Wyclif, Hus oder Luther gegen einen konservativen Prediger wie Kamouss antreten zu lassen.“
Der Journalist findet moderne Ansätze etwa beim islamischen Theologen Mouhanad Khorchide oder beim Islamwissenschaftler Reza Aslan. Letzterer habe in seiner Geschichte des Islam („Kein Gott außer Gott“) die zentralen Fragen gestellt, darunter: „Taugt der Islam heute zum Aufbau einer wirklich liberalen Demokratie?“
Drei Thesen
Bittner ist überzeugt, dass schon die traditionelle Lesart des Islam in einem Spannungsverhältnis zum Grundgesetz steht. „Jede Freiheit, auch die Religionsfreiheit, endet an der Nasenspitze des anderen. Dass dies aber noch nicht unter allen Muslimen in Deutschland Konsens ist, zeigen unter anderem die zweifelhaften Aussagen von Abdul Adhim Kamouss über Ausgeherlaubnisse für Frauen.“
Der Journalist stellt daher – statt 95 Thesen – drei Thesen auf: „1. Die muslimische Frau ist dem muslimischen Mann gleichgestellt. 2. Muslime müssen ihren Glauben ungestraft aufgeben oder wechseln können. Apostasie ist kein Delikt. 3. Weltliche Gesetze gehen religiösen Gesetzen vor.“ Bittner fügt hinzu: „Es wird Zeit für einen innerislamischen Streit in den TV-Shows.“ (pro)