Am Sonntag hatte Deutschland wieder einmal die Wahl, zumindest ein Teil von Deutschland, nämlich die Thüringer und Brandenburger. Zwei Wochen zuvor wählten schon die Sachsen ihr neues Landesparlament. Es sind drei der Länder, die erst seit 24 Jahren zur Bundesrepublik gehören. Die Bürger der DDR hatten ihre Freiheit von der Diktatur des „Arbeiter- und Bauernstaates“ auf der Straße erstritten – auch die Freiheit, bei echten demokratischen Wahlen ihre Stimme abgeben zu dürfen. Aber das scheint mittlerweile seinen Reiz verloren zu haben.
Denn in den neuen Bundesländern war die Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren immer am niedrigsten. Zur Landtagswahl haben in Brandenburg mit 47,9 Prozent die wenigsten abgestimmt. Thüringen ist mit gerade mal 52,7 Prozent schon Spitzenreiter. Das verwundert dann doch. Ist die errungene Freiheit der Hälfte der Menschen nichts wert? Was ist aus der Sehnsucht nach Mitbestimmung geworden? Friedrich Magirius, der als Pfarrer und Superintendent die Montagsdemonstrationen in Leipzig selbst miterlebte, sagt: „Ich bin traurig, dass die Wahlbeteiligung so niedrig ist. ‚Demokratie – jetzt oder nie‘, haben wir damals gerufen.“
In der selbsternannten Deutschen Demokratischen Republik waren Wahlen eine Farce. Die Beteiligung an Volkskammerwahlen lag laut offizieller Statistik immer bei über 98 Prozent, 99 Prozent von ihnen wählten demnach die Einheitsliste der Nationalen Front. Wer nicht zur Wahl erschien, den besuchten Parteigenossen zu Hause. Wer seinen Wahlzettel nicht gleich in die Urne steckte, sondern Kreuzchen in der Kabine machte, galt als Systemkritiker.