Die Beschneidungsdebatte habe gezeigt, dass Islam und Judentum plötzlich „auf der anderen Seite“ der Gesellschaft stünden, sagte die Berliner Islamwissenschaftlerin Schirin Amir-Moazami in ihrer Einleitung zum Debattenabend der Akademie des Jüdischen Museums Berlin. Schon zuvor sei in der Politik breit darüber diskutiert worden, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht – und so sei es bis heute. Nicht nur darin waren sich die zur Diskussion eingeladenen Wissenschaftler einig. Einhellig erklärten sie auch, dass es den Skeptikern einer Islam-Integration in Europa nicht um die Religion gehe.
„Wenn wir über Islamophobie sprechen, müssen wir immer auch über Rassismus sprechen“, sagte der Religionswissenschaftler an der Columbia University, Gil Anidjar. Dem stimmte Susannah Heschel, Professorin für jüdische Studien am amerikanischen Dartmouth College, zu. Die Frage nach der Vereinbarkeit des Islam mit der Demokratie sei vorgeschoben. Der in Michigan lehrende Anthropologe Damani J. Partridge bemerkte, wenn Gesellschaften über Beschneidungsverbote oder das Kopftuch stritten, gehe es niemals wirklich um theologische Inhalte. Die Praktiken würden beurteilt, um die Glaubensinhalte gehe es den wenigsten. Heschel bemerkte dazu: „Verstehen wir, was Heiligkeit in anderen Religionen bedeutet?“ Sie vermutete, dass die meisten wohl kein Gespür dafür hätten, was Muslimen heilig sei.
Anidjar kritisierte einen hegemonialen Anspruch des säkularen Westens. Dieser sehe sich als fortschrittlich im Vergleich zu religiösen Staaten. „Als Muslim wahrgenommen zu werden bedeutet, als fanatisch wahrgenommen zu werden“, sagte er. Gesellschaften in Europa versuchten, die Muslime zu assimilieren: „Werde wie wir – oder geh.“ Heschel sieht zudem eine Art Eifersucht als Grund für die Skepsis gegenüber dem Islam: „Die Kirchen sind leer und der Islam wächst.“ Viele Europäer fühlten sich möglicherweise durch Muslime kolonisiert. (pro)