Von der Kanzel auf das Börsenparkett

Uwe Lang hat sich für Wertpapiere interessiert, als noch feste Wechselkurse zwischen den Währungen im System von Bretton Woods galten und der Dollar weltweit als Leitwährung durch den Gegenwert in Gold gedeckt war. Das war vor 1973 so. Seitdem hat sich in der Finanzwelt viel verändert, aber die Wertpapieranalysen des Pfarrers blieben gefragt.
Von Norbert Schäfer
Pfarrer und Börsenanalyst Uwe Lang

Seit einem halben Jahrhundert verfolgt Uwe Lang das Geschehen an den Wertpapierbörsen der Welt genau. Aktuell werden die Nachrichten bestimmt von Meldungen über milliardenschwere Finanzhilfen infolge der Corona-Pademie, Analysten befürchten abwechselnd Inflation und Deflation, den Zusammenbruch der weltweiten Wirtschaftssysteme oder Kollaps der Banken. Für Lang kein Grund, in Panik zu verfallen. Einen drohenden Crash der Börsen kann der 77-jährige Aktienanalyst derzeit nicht erkennen. „Man soll sich keinen übergroßen Ängsten hingeben“, erklärt Lang. Er widerspricht Analysten, die aufgrund der hohen Schulden eine Geldentwertung befürchten. Lang sieht wegen Corona eher die Gefahr einer drohenden Absatzkrise – und damit Deflation.

Lang stammt aus einer schwäbischen Kaufmannsfamilie der Fugger-Stadt Augsburg. „Die Frage, wie man wirtschaftlich arbeiten kann, hat mich im Grunde genommen nie losgelassen“, resümiert der Pfarrer. Dabei wollte er zunächst nicht ins Kaufmännische und studierte in Neuendettelsau, Erlangen und München Theologie, Pädagogik und Philosophie. Nach dem Vikariat in Oberfranken und den theologischen Examen unterrichtete Lang zunächst evangelische Religion in Starnberg und wechselte nach wenigen Jahren in den Pfarrerdienst nach Leipheim an der Donau.

Weil der passionierte Schachspieler bereits während des Studiums Parallelen zwischen dem Strategiespiel und dem Handel mit Wertpapieren ausmachte, war er fasziniert vom Treiben an der Börse. „Beim Schach und an der Börse gibt es ein paar Regeln, die man beherzigen sollte und die sich immer wieder bewahrheiten“, sagt Lang in ruhigem und bedachten Ton. Etwa, das Zentrum des Spielfeldes kontrollieren – was bei der Börse bedeutet, Vemögen im Zentrum, den Dax-Werten, zu platzieren. Es reizte ihn, die strategischen Zusammenhänge an den Finanzmärkten zu ergründen und mathematisch zu analysieren. Dazu recherchierte er historische Börsendaten und Kurse in Zeitungsarchiven. Von Digitalisierung war da noch keine Rede. „Ich habe die Kurse abgeschrieben. Es war nicht einfach, an die alten Daten zu kommen.“ Seine Daten über Börsenkurse reichen heute bis ins 19. Jahrhundert zurück. Erst mit Beginn der 90er Jahre konnte er einen Computer mit Tabellenkalkulationsprogamm für seine Analysen einsetzen und unter anderem zeigen: „Ein Anleger, der immer nur in den Sommermonaten Aktien gekauft hätte, der hätte nichts verdient. Einer, der nur in den Wintermonaten gekauft hätte, hätte seit den 60er Jahren seine Anteile um das 20- oder 30-Fache erhöht.“

Vermögen gerettet

Weil es zu der Zeit kaum Bücher dazu gab, begann er 1985, sein Wissen über Aktien und Anleihen, Devisen und Rohstoffe und Anlagestrategien aufzuschreiben. Der Campus-Verlag veröffentlichte 1986 seinen „Aktien Berater“. Weil der in verschiedenen Zeitschriften, etwa im Spiegel, positiv bewertet wurde, folgten 14 weitere Auflagen und über die Jahre mehr als zehn weitere Bücher über die Börse, Finanz- und Vermögensthemen.

„Die Leute haben mich angerufen und gebeten, ich solle etwas Regelmäßiges veröffentlichen.“ So fing Lang 1987 damit an, zunächst für 30 Abonnenten regelmäßig einen Rundbrief, seine „Börsensignale“, mit Aktienanalysen und Anlagestrategien zu verfassen. Weil er das als Gemeindepfarrer nur „nebenbei“ machen konnte, stellte er einen Studenten ein, der ihm einige Arbeiten bei der Recherche der Kurse und Daten abnahm. „Im Lauf des Jahres 1987 habe ich ständig gewarnt vor einem Crash an der Börse“, erinnert sich Lang. Er empfahl seinen Lesern im August 1987, alle Aktien zu veräußern. Als der Crash dann am 19. Oktober 1987, dem „Schwarzen Montag“, eintrat und der Spiegel über Langs Prognose berichtete, interessierten sich plötzlich viele Investoren für seinen Börsenbrief. Lang hatte einigen Menschen ihre Vermögen gerettet.

„Börsenpfarrer“ ohne Pfarramt

Irgendwann war das Hobby neben dem Pfarramt mit zu viel Arbeit verbunden. Lang musste eine Entscheidung fällen und bat seine bayerische Landeskirche um Beurlaubung, um sich fortan der Böse hauptberuflich als Analyst und Wirtschaftsjournalist zu widmen. Mit der Garantie seiner Landeskirche, jederzeit in den Pfarrdienst zurückkehren zu können, wagte Lang den Schritt in die Selbstständigkeit. Er suchte sich einen Kaufmann und Marketingfachmann als Partner. Heute erstellt er den Börsenbrief alle 14 Tage gemeinsam mit einem seiner Schwiegersöhne. Gemeinsam mit der Schweizer Vermögensverwaltung Swissinvest in Luzern vertreibt er seine „Börsensignale“ eigenen Angaben zufolge an rund 1.300 Abonnenten.

Weil seine Landeskirche für eine weitere Beurlaubung damals keine rechtliche Reglung hatte, beendete Lang 1992 die hauptamtliche Tätigkeit als Pfarrer und wurde selbständiger Journalist. Da war er gerade 55 Jahre alt. Seit 1998 arbeitet er als „Pfarrer im Ruhestand“ in der Kirchengemeinde Dinkelscherben ehrenamtlich mit. In dem Ort, wo er ohne jeglichen Pomp lebt, predigt er regelmäßig, hält Taufen, Trauungen und Beerdigungen und leitet den Frauenkreis. „Der christliche Glaube ist für mich das Wesentliche und Entscheidende“, sagt Lang. Als Ehrenamtlicher fühle er sich ohnehin verbunden mit den vielen anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Kirche. Als Gemeindepfarrer habe er sich oft ausgemalt, dass die Leute dächten, er müsse ja so reden, weil er dafür bezahlt werde.

Christlicher Glaube und kirchliches Engagement einerseits, wirtschaftliches Handeln und Interesse an der Börse andererseits sind für Lang keine Widersprüche. „Geld ist nicht, so wie es von manchen Christen ausgelegt wird, des Teufels, sondern es ist durchaus etwas, womit sich eigentlich jeder befassen sollte.“ Der Pfarrer und Börsenanalyst sieht aber auch die Gefahr, dass Menschen der Gier nach Geld und Gut, dem „Mammon“, verfallen. „Es gibt viele negative Beispiele dafür, wie sich Menschen von ihrem Vermögen abhängig machen. Und dann auch entsprechend nicht mehr bereit sind, für andere etwas zu tun.“ Die Kritik von Kirchenoberen an überhöhten Managergehältern hält Lang für absolut berechtigt. „Viele Gehälter haben inzwischen ein Maß erreicht, das einfach nicht mehr vertretbar ist. Wenn Topmanager Million Euro im Monat verdienen und meinen, das sei gerecht, dann ist das letztlich eine Unverschämtheit. Und ich ärgere mich immer wieder, dass die Politik hier nichts tut, um das zu unterbinden.“

Von Kirchen wünscht sich der Finanzstratege vernünftigen ökonomischen Umgang mit Vermögen. Er sieht durchaus Defizite „bei einigen Leuten, die viel Geld verwalten und wenig davon verstehen“. Lang empfiehlt ohnehin, sich selber über Anlageformen und -strategien zu informieren. Banker raten seiner Meinung nach häufig nur zu hauseigenen Aktienfonds. „Die Fonds schneiden aber in der Regel schlechter ab als der Dax.“ Wo sie investieren, sollten Anleger auch nach ethischen und ökologischen Gesichtspunkten abwägen, findet Lang. „Ich habe mich entschlossen, nicht in Rüstungsunternehmen einzusteigen“, sagt er. Und weil er Tierversuche ablehnt, bewertet der Pfarrer für eigene Investments Pharmaunternehmen dahingehend kritisch. Damals, als er sein erstes Buch veröffentlichte, sei es eine Sensation gewesen, dass ein Pfarrer über die Börse schreibt. Journalisten hätten ihm dann den Titel „Börsenpfarrer“ verpasst. „Ich habe mich daran gewöhnt“, sagt Lang und fügt nach kurzer Pause an: „Das ist aber nicht richtig, denn an der Börse gibt’s keinen Pfarrer.“

Von: Norbert Schäfer

Dieser Text erschien in der aktuellen gedruckten Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro. Darin lesen Sie außerdem, was Kitesurfen und Bibel miteinander zu tun haben und warum das Handy nicht unbedingt glücklich macht. Das Magazin können Sie kostenlos online bestellen oder telefonisch unter 0 64 41/5 66 77 00.

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