Sonntagsruhe: Handelsverband kündigt Verfassungsbeschwerde an

Angesichts der Corona-Krise sorgt sich der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, um einen „Niedergang unserer Innenstädte“. Im Interview der Tageszeitung Die Welt kritisierte der Vertreter des deutschen Einzelhandels die „anachronistischen Positionen“ der Kirchen bei der Sonntagsruhe.
Von Jörn Schumacher
Geht es nach dem Präsidenten des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, sollten Geschäfte auch an Sonntagen mehr öffnen dürfen

HDE-Präsident Josef Sanktjohanser sagte im Welt-Interview, sein Verband wünsche sich eine Lockerung des Verkaufsverbots am Sonntag. Die Öffnung der Läden solle allerdings auf den Nachmittag beschränkt werden, sodass ein ausreichender Schutzbereich für die Sonntagsruhe gegeben ist.

Die Sonntagsruhe in Deutschland ist im Grundgesetz verankert. So heißt es dort im Artikel 139: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ Gemäß dem Arbeitszeitgesetz dürfen entsprechend an Sonn- und Feiertagen zwischen 0 und 24 Uhr keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Es gibt Ausnahmen, etwa für Not- und Rettungsdienste, Krankenhäuser, Gaststätten, kulturelle Aufführungen, Veranstaltungen von Kirchen und Vereinen und in der Landwirtschaft.

Sanktjohanser kündigte im Interview eine Verfassungsbeschwerde an. Im Jahr der Corona-Pandemie drohe vielen Innenstädten der wirtschaftliche Kollaps, und die Unternehmen forderten Gegenmaßnahmen, so der Manager, der ehemals Vorstandsmitglied der Rewe Group war. Es gebe in Deutschland zu viele „Sonderregeln und Ausnahmen und Verbote bei der Sonntagsöffnung“. Sanktjohanser fügte hinzu: „Das hat mit anachronistischen Positionen von Parteien, Kirchen und Gewerkschaften zu tun.“ Er fordert daher eine „maßvolle Regelung zur Sonntagsöffnung“. Darunter stellt er sich ein begrenztes Zeitfenster von 13 bis 18 Uhr an vier bis zwölf Sonntagen pro Jahr vor. Über die genaue Anzahl könnten die Bundesländer entscheiden.

„Permanente Ungewissheit über die Sonntagsöffnung“

Der gesellschaftliche Rahmen habe sich in den letzten Jahren stark verändert, so Sanktjohanser. „Gerade an Sonntagen steht aus der Sicht der Kunden nicht der Versorgungseinkauf im Mittelpunkt, vielmehr ist Einkaufen in der Stadt heute ein Freizeiterlebnis.“ Die Sonntagsöffnung solle nach Ansicht des Handelsverbandes weiter die Ausnahme bleiben. „Aber wir möchten Verlässlichkeit.“ So gebe es zwischen den einzelnen Bundesländern Unterschiede. „Die permanente Ungewissheit über die Rechtsprechung bringt die Kaufleute zur Verzweiflung“, so Sanktjohanser.

Der Verband sei entschlossen, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Auch eine Änderung des Grundgesetzes hält Sanktjohanser als „Ultima Ratio“ nicht für ausgeschlossen, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig wäre.

Die Gewerkschaft Ver.di und die Kirchen würden dem Verband „immer wieder vorwerfen“, seine Mitglieder wollten die Sonntagsruhe abschaffen. Sanktjohanser: „Das ist nicht der Fall. Den Kirchen muss man Doppelzüngigkeit vorwerfen, denn Wallfahrtsorte werden immer wieder großzügig mit Sonntagsöffnungszeiten ausgestattet, ohne dass jemand protestiert.“

Von: Jörn Schumacher

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