Weltbild: Aufstieg und Ende des „katholischen Aldis“

Die Eigentümer von Weltbild standen vor einem Dilemma: Insolvenz anmelden und als kalte Kapitalisten dastehen oder den Steuerzahler belasten. Die Bischöfe entschieden sich für die Insolvenz und sahen ein: Bischöfe können keine Unternehmer sein. Die Mitarbeiter erheben nun schwere Vorwürfe gegen die Eigentümer. Ein Überblick der Weltbild-Entwicklungen.
Von PRO
Die Filialgeschäfte, die Weltbild zusammen mit Hugendubel betreibt, sind von der Insolvenz vorerst nicht betroffen
Die Ära Weltbild begann mit einem Magazin. 1968 ging aus den kirchlichen Zeitschriften „Mann in der Zeit“ und „Feuerreiter“ das „Weltbild Magazin“ hervor, das der katholische Verlag Winfried-Werk GmbH herausgab. Da die Resonanz auf kirchliche Schriften im Laufe der Jahre jedoch abnahm, entstand durch eine Reihe von Umstrukturierungen aus dem Magazin Weltbild schließlich die Weltbild-Bücherdienst GmbH. 1975 übernahm Carel Halff die Geschäftsführung. Mit 61 Jahren steht er bis heute an der Spitze des Unternehmens. Mit der Devise „Sie sparen“, habe Halff Weltbild zu einer Art „katholischem Aldi“ gemacht, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in einem Beitrag über die Insolvenzanmeldung des Unternehmens. Der Buch- und Medienhandel, wie man ihn heute kennt, startete in den 80er Jahren und expandierte auch nach Österreich und in die Schweiz. 1987 verschmolz die Winfried-Werk GmbH schließlich mit der Weltbild-Bücherdienst GmbH zum Weltbild Verlag. Rund 6.800 Beschäftigte hat das Unternehmen derzeit nach eigenen Angaben, 2.300 sind es allein am Geschäftssitz in Augsburg. Von Beginn an gehört das Unternehmen zu 100 Prozent der katholischen Kirche. Gesellschafter sind die 12 katholischen Diözesen in Deutschland, der Verband der Diözesen in Deutschland und die Soldatenseelsorge Berlin.

Überrascht vom Kapitalbedarf

Obwohl katholische Verlagsgruppe, von „Glaube, Gott und Jesuskind“ sei im Alltagsgeschäft jedoch nicht viel zu sehen, kritisierte die Zeitung Welt am Sonntag Ende vergangenen Jahres das weltliche Angebot des Verlags. Das Sortiment sei „nahezu unkirchlich“. Dabei bezogen sich die Kritiker vor allem auf esoterische und erotische Literatur im weltbildlichen Angebot. Bereits Ende 2011 hatten die katholischen Bischöfe deshalb angekündigt, sich von Weltbild zu trennen. Ein Artikel in der Welt hatte dem Unternehmen damals vorgeworfen „Wasser zu predigen und Wein zu trinken – Keuschheit zu predigen und Pornos zu verkaufen“. Kurz darauf ruderten die Bischöfe jedoch zurück und beschlossen, die Verlagsgruppe in eine gemeinnützige Stiftung umzuwandeln. Damit würden die Gewinne nicht den Bistümern zugute kommen, sondern dem katholischen Bildungswesen. „Die Stiftungslösung gibt dem Unternehmen eine gute Stabilität und Perspektive angesichts der Umbruchsituation im Buchmarkt“, erklärte Geschäftsführer Halff damals. Die Umwandlung in eine Stiftung wurde jedoch bis heute nicht vollzogen. Streitigkeiten unter den Gesellschaftern kamen auf, die Bistümer Köln, Trier, Aachen und Münster fühlten sich nicht mehr an den Beschluss des Jahres 2011 gebunden. Hinzu kamen finanzielle Probleme. „Vor lauter Zwistigkeiten hätte man fast übersehen, dass der Kapitalbedarf, den die Eigentümer zuschießen sollten, im Quartalstempo wuchs“, heißt es im FAZ-Artikel. Mittlerweile sind es rund 130 Millionen Euro, die über drei Jahre hinweg von den Bistümern kommen sollten. Von Seiten der Gesellschafter heißt es, die Kirche sei vom gestiegenen Kapitalbedarf überrascht worden.

Das Dilemma der Bischöfe

Verluste seien besonders durch den Umbau zu einem digitalen Medienkonzern aufgetreten. „Die Bemühungen, den Verlag in ein digitales Unternehmen zu verwandeln, haben nicht zum Erfolg geführt“, teilte der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Beer am vergangenen Freitag mit. Die Krise des Buchhandels, der Aufstieg des Online-Dienstes Amazon und der viel zu späte Einstieg von Weltbild in den Online-Handel im Jahr 2007 führten zum wirtschaftlichen Absturz des Unternehmens, schreibt die FAZ. Die Bischöfe fanden sich in einem Dilemma wieder: Meldeten sie Insolvenz an, stünde die katholische Kirche als unsozial und kapitalistisch dar. Bezuschussten sie Weltbild weiterhin aus dem Geld der Kirchensteuerzahler, riskierte die katholische Kirche – vor allem nach dem Limburg-Skandal – weiterhin ein negatives Image und den Verlust weiterer Mitglieder. Entschieden haben sich die Eigentümer schließlich für die erste Variante. „Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu investieren“, erklärte der Münchner Erzibischof, Kardinal Reinhard Marx, am Montag gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die 65 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr schon für die Sanierung der Verlagsgruppe zugesagt waren, sollen nun für einen Sozialplan für die Beschäftigten verwendet werden.

Kirchenpolitisch motiviert?

Die Gewerkschaft Ver.di zeigt kein Verständnis für die Entscheidung. Zum einen stehe sie im Gegensatz zur kirchlichen Soziallehre, sagte Ver.di-Sprecher Thomas Gürlebeck gegenüber dem Magazin Focus. Zum anderen habe es bereits einen von den Banken akzeptierten Sanierungsplan gegeben, erklärte Timm Bossmann, einer der Ver.di-Vertrauensleute bei Weltbild. Auch die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ kritisiert die Insolvenzanmeldung. Wie auch die Gewerkschaft vermutet sie, dass die Entscheidung dazu eher im kirchenpolitischen als im wirtschaftlichen Interesse gefällt wurde, berichtet das Magazin Stern. So seien einige konservative Eigentümer seit langem nicht einverstanden damit, dass unter anderem auch Erotikprodukte angeboten würden. Dass Kardinal Marx, der ein Verfechter der katholischen Soziallehre sei, sich aus der Diskussion herausgehalten habe, könne darauf hindeuten, dass er seine mögliche Nachfolge für den im März aus seinem Amt scheidenden Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, nicht gefährden wollte.

Mitarbeiter: Insolvenz war beabsichtigt

Die Bischöfe begründen ihre Entscheidung allein mit der Verantwortung gegenüber den Kirchensteuerzahlern. Gegenüber dem Handelsblatt räumte Kardinal Marx jedoch auch Fehler ein. „Uns war klar, dass Bischöfe keine Unternehmer sein können“, erklärte er. Es hätte eine neue Gesellschafterstruktur und „professionelle Medienexperten von außen“ als Geschäftsführer geben müssen. Die bayerische Landesregierung forderte die Kirche am Montag auf, Verantwortung zu übernehmen. Die etwa 400 Filialgeschäfte, die Weltbild zusammen mit Hugendubel betreibt, seien von der Insolvenz vorerst nicht betroffen. Mittlerweile haben auch die Mitarbeiter der Verlagsgruppe schwere Vorwürfe an die Bischöfe erhoben. In einem Brief, den etwa 1.500 Angestellte unterzeichneten, warfen sie den Eigentümern vor, das Unternehmen bewusst „in die Insolvenz getrieben zu haben“, heißt es in einem Bericht des Handelsblattes. Die Mitarbeiter erklärten, sie seien „nicht bereit sind, unser Unternehmen und unsere Arbeitsplätze sang- und klanglos auf dem Altar innerkirchlicher Machtkämpe opfern zu lassen“. Die bayerische Arbeitsministerin Emilia Müller sicherte den Angestellten Hilfen, unter anderem aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Arbeitsmarktfonds, zu. Sie betonte jedoch, dass die Staatsregierung keine „Altlasten abfedern“ könne. Am Stammsitz in Augsburg sind die Jobs von etwa 2.200 Mitarbeitern bedroht. (pro)
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https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/buecher/detailansicht/aktuell/weltbild-im-emrichtungsstreitem/
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