„Krisenzeiten sind Lernzeiten“

Von der Wirtschaftskrise scheint zumindest in Deutschland keine Spur mehr zu sein: Die Ökonomen sind selbst überrascht, das Wirtschaftswachstum ist auf einmal so groß wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Für die neue Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro haben wir Experten gefragt, was wir für die Zukunft aus der Krise lernen können.
Von PRO

Die deutsche Wirtschaft, namentlich das Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist um 2,2 Prozent gewachsen und damit so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Grund ist vor allem der Export. Das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo befragt regelmäßig 7.000 deutsche Unternehmen nach ihrer Wirtschaftslage. Auch dieser Ifo-Index, der als wichtiger Indikator gilt, kletterte in den vergangenen Monaten um fast 5 Prozent und hat inzwischen den höchsten Wert seit dem Ausbruch der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise erreicht. Die Ökonomen sind positiv überrascht: "Die Stimmung der deutschen Unternehmer ist glänzend." Schon fordern der Wirtschaftsweise Peter Bofinger und der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, höhere Löhne in den deutschen Unternehmen.

Anderen Ländern geht es indes nicht so gut: Für die USA erwarten Experten ein Wachstum der US-Wirtschaft von 1,4 Prozent, Amerika stecke noch mitten in der Rezession. Auch England muss eisern sparen. Die Schweizer Wirtschaft schrumpfte so stark wie nie seit 1975.

Was man aus der Krise lernen kann

"Krisenzeiten sind Lernzeiten!", sagte der Inhaber und Vorstandsvorsitzender der "Friedhelm Loh Group" im pro-Interview. Das Unternehmen von Friedhelm Loh beschäftigt mehr als 11.000 Mitarbeiter in weltweit über 60 Tochtergesellschaften. Loh, der unter anderem Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Christliche Medien (SCM), Vorstandsmitglied des Bibellesebundes, Präsident des Zentralverbandes der Elektrotechnik und Elektroindustrie sowie Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ist, sagte im Interview: "Man muss in einer Krise alles auf den Prüfstand stellen und aufräumen. In guten Zeiten will das keiner tun, weil es unbequem ist. In schwierigen Zeiten erkennt jeder, dass es notwendig ist. Deswegen besteht die Kunst des Managens ja darin, in guten Zeiten schon Entscheidungen zu treffen, die dafür sorgen, dass man die schlechten Zeiten als Gewinner übersteht."

Loh gibt zu Verstehen, dass man auch als Christ die Betriebswirtschaftslehre nicht außer Kraft setzen könne. Und so kämen auch christliche Manager nicht um den "Leidensweg" herum, Mitarbeiter zu entlassen.

Sein Glaube komme in der Unternehmensführung dennoch durchaus zum Tragen: "Wenn wir uns der Führung Gottes unterstellen, dann ist vieles unbewusst, dann ist Führung da, ohne dass wir uns immer bei jedem Schritt geführt fühlen. Das bewusste Christsein an dieser Stelle ist in erster Linie das Reden mit Gott: Ich habe die Chance des Dankens und Bittens, des Austauschs, die Chance des Abgebens, ja sogar des Abladens. Das ist für mich eine starke Entlastung." Loh betont jedoch: "Trotzdem – Christen haben keinen Garantieschein auf Erfolg."

Krisenzeiten seien immer auch Zeiten, um Stärken und Schwächen zu analysieren. "Werte bekommen ein anderes Gewicht." In Krisenzeiten gehe es um Werte, die mehr die existenzielle Seite betreffen. Loh fügt hinzu: "Wir alle sollten wieder neu lernen, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht selbstverständlich ist, sondern dass er jeden Tag neu erarbeitet werden muss."

Auf die Frage, welchen Rat er als Christ seinen Unternehmerkollegen zur Bewältigung der Krise geben würde, antwortet Loh: "Eigentlich das, was ich während der Krise nicht immer richtig beherrscht habe: eine gewisse Gelassenheit zu leben. Es ist eine große Herausforderung, wirklich Ruhe zu bewahren und konsequent zu handeln. Da sind natürlich Emotionen im Spiel. Schließlich handelt es sich ja um das eigene Unternehmen, das man mit vielen Mitarbeitern gemeinsam geschaffen hat – und das könnte plötzlich zur Disposition stehen. Die Basis für diese Gelassenheit ist Souveränität, Erfahrung und für mich der Glaube an die Führung Gottes."

Zehn Richtlinien für ethisches Wirtschaften von Wolfgang Huber

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, mahnte in pro vor allem an, an der Verbindung zwischen Wirtschaft und Ethik zu arbeiten. Diese zeige sich zeigt sich besonders auf drei Ebenen: "in der Verantwortung für die eigene Mitarbeiterschaft, dem Aufbau von langfristigem Vertrauen zwischen Wirtschaftspartnern sowie der Fairness im Umgang auch mit Konkurrenten und schließlich in der Bereitschaft, Verantwortung für das Gemeinwesen – insbesondere auch in der eigenen Region – zu übernehmen." Huber erklärte gegenüber pro weiter, er setze sich dafür ein, "dass ethische Orientierung und soziale Kompetenz zu zentralen Elementen der Ausbildung wie der Personalentwicklung in wirtschaftlichen Führungspositionen gemacht werden".

Der Theologe, der sich nach dem Ausscheiden aus dem Amt als EKD-Ratsvorsitzender nun für Wertevermittlung in Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt, nennt zehn Leitgedanken für diese ethische Orientierung. Dazu zählt in seinen Augen die Tatsache: "Armut ist eine der größten ethischen Herausforderungen." Huber fügt hinzu: "Gerechte Teilhabe ist ein ethischer Schlüsselwert; Bildung ist dafür der entscheidende Weg." Nicht nur in Krisenzeiten seien zudem Vertrauen und Ehrlichkeit ein wichtiger Wert in der Wirtschaft. Des weiteren mahnt Huber "menschenwürdige Arbeitsbedingungen sowie der Respekt für kulturelle Vielfalt" an. Zudem ist Huber überzeugt: "Wirtschaftlicher Erfolg verpflichtet zum gesellschaftlichen Engagement." (pro)

Lesen Sie mehr zum Thema "Umdenken – Was wir aus der Wirtschaftskrise lernen können", in der neuen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro 4/2010. Jetzt kostenlos und unverbindlich bestellen: Telefon (06441) 915 151, E-Mail: info@pro-medienmagazin.de.

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