Die Journalistin Evelyn Finger versucht die Figur in der biblischen Ostergeschichte zu identifizieren, die uns als Vorbild angesichts der Flüchtlingsstromes dienen kann. „Jesus oder Pilatus?“, fragt sie und kommt zu einem überraschenden Ergebnis.
Von PRO
Foto: „Ecce homo“ von Antonio Ciseri (public domain)
Jesus oder Pilatus? Wessen Beispiel sollte man angesichts der Flüchtlingskrise folgen?, fragt die Journalistin Evelyn Finger
Evelyn Finger, verantwortliche Redakteurin im Ressort „Glauben und Zweifeln“, einer Beilage der Wochenzeitung „Die Zeit“, fragt in der aktuellen Ausgabe: „Jesus oder Pilatus? Was ihr Beispiel für unseren Umgang mit Flüchtlingen bedeutet.“
Den Hilfsbedürftigen zu helfen, sei für die Gewaltbereiten immer eine Provokation, schreibt Finger. Als Beispiel nennt sie ein Massaker, das sich Anfang März in Aden im Jemen zugetragen hat: muslimische Dschihadisten schossen vier Nonnen und zwölf ihrer Kollegen in einem Altersheim in den Kopf. Die Bewohner des Altersheimes ließen sie leben. Dies geschah offenbar bewusst, wie Finger schreibt. Auslöser für die Bluttat sei gewesen, dass ein paar barmherzige Samartier an der Seite der Schwächsten blieben. Eine Provokation. Die Nonnen und ihre Helfer wurden „zu Helden eines klassischen Karfreitagsdramas. Die Friedfertigen provozieren mit ihrer Friedfertigkeit die Gewaltbereiten und müssen es büßen“, stellt sie fest.
In Bezug auf unsere mögliche Verpflichtung angesichts des Flüchtlingsdramas fragt die Journalistin: „Und wir? Was haben wir bisher unterlassen, weil es uns zu unbequem, unrealistisch oder jesusmäßig erschien?“ Jesus stelle in der biblischen Ostergeschichte einen „moralischen Extremfall“ dar. Seine Nächstenliebe schließe die vollkommene Hingabe für andere ein. „Jesus wird gefoltert, gekreuzigt, und stirbt, um die Menschen zu retten, sogar die, die dem Richter Pontius Pilatus zugeschrien haben: ‚Kreuzige! Kreuzige!‘“
Auf der anderen Seite stehe Pontius Pilatus, Statthalter in Jerusalem, der bei der Anklage gegen Jesus vor allem das getan habe, „was ein Politiker tun muss“: eine pragmatische Entscheidung finden. „Und was sind die Möglichkeiten heute?“, fragt Finger. Die von Jesus oder die von Pilatus – hier Selbstopferung, dort Selbstschutz? Manche sagten, mit der Bibel ließe sich keine Politik machen. Und doch, fährt Finger fort, hätten die Nonnen von Aden gehandelt wie Jesus.
„Wir schaffen das“ – aber bitte ohne Opfer
Der große Erfolg der AfD bei den letzten Landtagswahlen habe eventuell ein schlechtes Gewissen ausgelöst: „Könnte es sein, dass viele Deutschen sich insgeheim schämen, weil sie zu keinem wirklichen Opfer bereit wären?“ Die meisten hofften wohl, dass „wir es schaffen“, ohne auf den Wohlstand verzichten zu müssen. „Das ist legitim, insofern wir nicht Jesus sind, sondern nur das Abendland.“ Dennoch sei es „sehr viel weniger barmherzig, als die lautstarken Anti-Populisten-Protestierer sich selbst gern sehen“.
Finger schreibt: „Vielleicht ist die österliche Gestalt der Stunde ja weder Jesus noch Pilatus, sondern eine ganz andere, unscheinbare: Simon von Cyrene.“ Denn der habe dem erschöpften Jesus am Karfreitag geholfen, das Kreuz zu tragen. „Eigentlich wollte Simon das nicht, denn er fürchtet, selber zum Opfer zu werden.“ Aber dann sei er den Kreuzesweg genau so weit mitgegangen, wie er konnte. „Sein Beispiel zeigt, dass es hilft, zu helfen. Das Maß der Hilfsbreitschaft aber lässt sich nicht vorherbestimmen. Pathetisch gesagt: Man muss das Kreuz erst schultern, bevor man weiß, wie weit man es tragen kann.“ (pro)
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.
Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Always active
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Externe Inhalte / Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.