"Wer keine Religionsfreiheit gewährt, gewährt überhaupt keine Menschenrechte", sagte Kauder vor mehr als 400 Zuhörern in der Stadtkriche in Bad Blankenburg. "Ich würde auch dann für Religionsfreiheit eintreten, wenn Christen die Verfolger wären", so der Politiker, "aber die Realität sieht so aus, dass Christen in großen Teilen der Welt benachteiligt und brutal verfolgt werden." Dies sei insbesondere in islamischen Staaten der Fall. Diesen Fakt müsse man ansprechen dürfen, denn das Betrachten der Wahrheit sei der erste Schritt zum Handeln.
Kauder zeigte sich dankbar über die vielen positiven Veränderungen, die sich für Christen in der Türkei ergeben hätten. "Vieles ist für sie heute leichter und einfacher möglich, aber es gibt noch immer deutliche Einschränkungen. Christen sollten ihre Kirchen ohne bürokratische Schikanen bauen und ihre eigenen Geistlichen ausbilden dürfen." Im Falle des Klosters Mor Gabriel dürfe es nicht sein, dass die Regierung Grundstücke des Klosters annektiere. "Ich empfinde, dass die Türkei meilenweit von dem Europa weg ist, wie wir es uns vorstellen. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Europa der Freiheit und Aufklärung ein Land aufnimmt, das diese Tradition und Freiheit nicht lebt." Ein Land, das nach Europa wolle, müsse ein Land der religiösen Toleranz und nicht der Verfolgung sein. Der Mensch sei laut dem Galaterbrief des Neuen Testamentes zur Freiheit berufen: "Gemeint ist nicht die Freiheit des Fleisches, sondern die Freiheit zur Nächstenliebe." Und ohne die Religionsfreiheit gebe es keine Freiheit.
Mit Blick auf die in Deutschland lebenden Muslime sagte Kauder, dass es für ihn selbstverständlich sei, diesen Mitbürgern im Rahmen der Gesetze und des Grundgesetzes zu gestatten, ihren Glauben zu praktizieren. Er erwarte aber von ihnen, dass auch sie ihre Stimme erheben würden, wenn in ihren ehemaligen Heimat- oder Herkunftsstaaten die Religionsfreiheit mit Füßen getreten werde.
Ägypten: Junge Kopten fordern Perspektive
Kauder berichtete, dass er im Kontakt mit koptischen Christen in Ägyten stehe. Bei seiner letzten Reise hätten ihm junge Kopten berichtet, dass sie die Repressalien in ihrem Land nicht länger hinnehmen wollten und sich in Zukunft wehren würden. Den jungen Menschen müsse eine Perspektive in ihrem Land geboten werden. Es zeichne sich ab, dass der islamische Glaube auch in einer neuen ägyptischen Verfassung verankert werde. Gleichwohl gäbe es positive Zeichen der Versöhnung, so hätten etwa während der Revolution in Ägypten Christen und Muslime auf dem Tahrir-Platz gemeinsam gebetet und Muslime hätten damals die Christen vor einem Angriff geschützt.
Der CDU-Politiker erklärte, dass es Gebiete gebe, aus denen fast alle Christen geflohen seien, wie etwa den Irak. "Das ist eine ganz schwierige Sache – einerseits soll es keine ‚christenfreien Zonen‘ in der Welt geben, andererseits kann man die verfolgten Brüder und Schwestern schwerlich auffordern, zu Märtyrern zu werden", so der Unionsfraktionschef.
Am Montag wird Volker Kauder nach Indien reisen und auch dort das Thema Christenverfolgung ansprechen. Für nächstes Jahr ist eine Reise nach Eritrea geplant – auch dort werden Christen aufgrund ihres Glaubens ermordet.
"Probleme anprangern bringt etwas"
"Wenn wir nicht schweigen, verändert sich was", ermutigte Kauder die Zuhörer. Er erlebe auf seinen Reisen, dass sein Engagement für verfolgte Christen sehr stark zur Kenntnis genommen werde. "Auch die Kanzlerin und der Außenminister haben die Situation der Christen mit auf der Tagesordnung, wenn sie in solche Länder reisen", erklärte er. "Unser vehementes Nachfragen bewegt etwas: Schließlich will kein Land als Schurkenstaat auf die Tagesordnung gehoben werden."
"Uns Christen geht es nicht nur um Euro und Cent, uns geht es um Größeres. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von der Freiheit, sich zu etwas zu bekennen, das über seine Existenz hinausgeht", sagte Kauder. "Deshalb ist es unsere Verpflichtung, für unsere verfolgten Brüder und Schwestern einzustehen, im Gebet, mit Finanzen und auch politisch. Wir können dankbar sein, dass wir unseren Glauben hier so frei leben dürfen."
"Wir werden also weiterhin ein klares Wort für die Freiheit reden müssen und ein klareres Wort für die Bedrängten der Welt einlegen", schloss Kauder. (pro)