1991 hätte Kardinal Meisner noch Helmut Kohl dafür kritisiert, die in "wilder Ehe" lebende Angela Merkel zur Familienministerin zu ernennen. Heute nehme kaum jemand Anstoß daran, dass Bundespräsident Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin und der Regierende Oberbürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, mit seinem Lebensgefährten auftrete. "Viele Christen leben heute unverheiratet zusammen, schlafen aber in fair gehandelter Bettwäsche." Das wichtigste Gebot sei: "Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." Die Grundlage aller christlichen Werte sei, dass der Mensch sein Leben von Christus bestimmen lasse. Matthies sagte: "Die ganze Wertefrage ist eine Gottesfrage: Jeder, der versucht, die Wertefrage ohne Gott zu lösen, bringt Unglück." Dies habe sich in der Vergangenheit gezeigt.
"Im Unterschied zu allen Religionsführern fordert Jesus nicht zuerst etwas, sondern sagt etwas zu", stellte Matthies fest. Das Leben als Christ beginne mit einer Zusage: "Du bist wertvoll – auch mit Down-Syndrom und mit Alzheimer."
In drei Bereichen sollten Christen laut Matthies einen "alternativen Lebensstil" pflegen: Geld, Zivilcourage und Vergebung. Es dürfe zum Beispiel nicht sein, dass Christen in ihrem Garten einerseits den "Garten Eden" nachzubauen versuchten und andererseits durch den Kauf billigster Hühnereier das "Leid von Gottes Geschöpfen in Legebatterien" unterstützten. Als Beispiel für Zivilcourage nannte er den christlichen Widerstand gegen die DDR-Diktatur, die den Mauerfall mit eingeleitet habe. Vergebung sei gerade deshalb so wichtig, weil niemand Vergebung erhalte, wenn er nicht selber vergebe.
Im Gegensatz dazu würden manche Sünden – zum Beispiel die sexuellen – gerade von Konservativen zu Unrecht als schlimmer gewichtet als andere: "Kunden abzuzocken, überbordende Büffets, Trunkenheit, für schlechte Laune zu sorgen" – das werde in paulinischen Briefen genauso verurteilt wie alle Sünden, die mit Sex zu tun haben. Christen dürften nicht den Fehler machen, Sünden unterschiedlich zu bewerten, denn dies führe zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit. Stattdessen mahnte Matthies mehr Einigkeit unter Christen an, die unterschiedlichen Flügeln des Christentums angehörten. So wäre es ein "tolles Zeichen", wenn auch links orientierte Christen am "Marsch für das Leben" teilnehmen würden. Andererseits sollten auch konservative Christen die Anliegen linker Christen ernst nehmen, die sich um soziale Anliegen kümmerten.
Christen sollten sich deswegen immer wieder gegenseitig korrigieren. "Der christliche Glaube hat einen Vorteil, den keine andere Religion hat," sagte Matthies: "Wir können jeden Tag wieder sagen: Herr, ich will es anders machen." Matthies warnte vor einem falsch verstandenen Freiheitsverständnis, das derzeit in den Kirchen hochgehalten werde. Die "evangelische Schmalspur-Theologie" besage mit "Freiheit" etwas anderes als die Reformatoren – und zwar, dass das Halten von Gottes Geboten völlig unwichtig sei. In Wahrheit müsse sich der Mensch für seine Taten aber vor Gott verantworten. Der idea-Leiter fasste zusammen: "Wir Christen haben ewig gültige Werte, aber wir können sie nur vorleben und niemandem aufzwängen. Aber wenn wir sie leben, überzeugen wir andere, tun uns selbst Gutes und werden noch im Himmel dafür belohnt – mehr geht nicht!"
Matthies beschloss damit den achten Kongress christlicher Führungskräfte. Mehr als 3.200 Teilnehmer besuchten nach Angaben der Veranstalter den Kongress. Zum Abschluss erhielten diese eine Kongress-Erklärung, die die zentralen Anliegen des Kongresses formuliert. Darin heißt es: Basis für ein erfolgreiches und soziales Handeln sind die Maßstäbe Gottes für die Menschen, wie sie beispielhaft in den Zehn Geboten zum Ausdruck kommen. In zwei Jahren soll es vom 26. bis 28. Februar eine Neuauflage des Kongresses in Hamburg geben. (pro)