„Theologie hat die Aufgabe den Glauben argumentativ darzulegen, um ihn zu verantworten“, sagte Khorchide bei der Veranstaltung „Islamische Theologie in Deutschland – Eine Zwischenbilanz“ der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Von Kollegen aus dem Ausland höre er immer wieder, dass sie in ihrer Heimat bestimmte theologische Fragen nicht stellen dürften. Eine Reform des Islam werde deshalb nicht von der islamischen Welt ausgehen, sondern aus dem europäischen Raum kommen, erklärte der Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster.
„Die Chance, etwas Neues zu etablieren“
In den Medien höre man immer vom Gegensatz zwischen konservativen und liberalen Muslimen, „und kein Mensch weiß, was damit gemeint ist“, kritisierte Khorchide. Stattdessen unterscheide er eine Theologie, die dem Menschen dienen soll und eine Theologie, die erwartet, dass der Mensch ihr dient. Letzteres sei nichts anderes als eine Ansammlung von Restriktionen. In Deutschland bestehe die Chance, etwas anderes als das zu etablieren. In vielen islamischen Ländern gebe es diese nicht.
„Vieles, was wir heute rezipieren ist nichts anderes, als eine Theologie des 9. oder 10. Jahrhunderts“, führte er fort. Als Islamwissenschaftler verwerfe er keinesfalls diese islamische Tradition, sondern suche innerhalb dieser nach den Punkten, „die den Menschen sehen“. Dabei befinde sich die Wissenschaft aber noch in einer ersten Phase. In Münster erlebe die islamische Theologie einen Boom. Derzeit gebe es derzeit über tausend Bewerber auf das Fach. Dennoch litten Schulen unter fehlendem Lehrmaterial und fehlenden Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht. Deutschlandweit würden derzeit 2.000 bis 3.000 Lehrkräfte benötigt, 900.000 Schüler seien betroffen.
„Sie dürfen nicht alle Muslime in einen Topf werfen“
In seinem Institut in Münster erhielten die Studenten auch eine Einführung in die christliche Theologie, um den interreligiösen Dialog auf soliden Boden zu stellen. „Sie dürfen nicht alle Muslime in einen Topf werfen“, warnte Khorchide. Das Argument „Das steht in Sure so-und-so“ überzeuge junge Menschen nicht mehr. „Sie sind gewohnt, zu hinterfragen und sie suchen nach dem Lebensbezug.“ (pro)