Winnenden: Angehörige fordern Umdenken der Medien

Ein Umdenken und neue Gesetze für Medien und Waffen fordern die Familien von fünf Opfern des Amokläufers in Winnenden. In einem offenen Brief wandten sie sich am Samstag an Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Günther Oettinger.
Von PRO

„Wir wollen, dass sich etwas ändert in dieser Gesellschaft, und wir wollen mithelfen, damit es kein zweites Winnenden mehr geben kann.“ Noch immer erschüttert von dem Amoklauf in der Albertville-Realschule forderten Angehörige der Opfer am Samstag in der „Winnender Zeitung“ weniger Gewalt im Fernsehen und ein Verbot von Killerspielen. „Wenn wir es zulassen, dass unseren Mitbürgern weiterhin täglich Mord und Totschlag serviert werden, ist abzusehen, dass die Realität langsam, aber stetig dem Medienvorbild folgen wird“, erklärten die Familien und forderten eine „Gewaltquote“ im TV. So solle der Anteil der Sendungen mit gewalttätigem Inhalt reduziert, und in Zeiten, in denen überwiegend Kinder und Jugendliche fernsehen, ganz vermieden werden.

Killerspiele vom Markt nehmen

Weiter schrieben die Angehörigen, so genannte „Killerspiele“ sollten gänzlich vom Markt genommen und der Jugendschutz im Internet verbessert werden. „In der virtuellen Welt werden heute anonym und gefahrlos Gedankengänge artikuliert und diskutiert, die eine Bedrohung für unsere Gesellschaft darstellen. Es darf aber nicht sein, dass sich junge Menschen anonym gegenseitig aufhetzen und zu Gewalteskalationen auffordern.“

Außerdem sollte der Zugang junger Menschen zu Waffen eingeschränkt werden. „Die derzeitige gesetzliche Regelung ermöglicht die Ausbildung an einer großkalibrigen Pistole bereits ab dem 14. Lebensjahr. Bedenkt man, dass ein junger Mensch gerade in dieser Zeit durch die Pubertät mit sich selbst beschäftigt und häufig im Unreinen ist, so ist die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre unerlässlich“, heißt es in dem Schreiben. Grundsätzlich müsse man sich fragen, ob der Schießsport nicht gänzlich auf großkalibrige Waffen verzichten könne. Außerdem müsse der Gesetzgeber Verstöße gegen das Waffenrecht stärker ahnden.

Keine Heroisierung des Täters

Die betroffenen Familien forderten außerdem mehr Verantwortung berichterstattender Medien. „Wir wollen, dass der Name des Amokläufers nicht mehr genannt und seine Bilder nicht mehr gezeigt werden.“ Die Berichterstattung sei nicht dazu geeignet, zukünftige Amokläufe zu verhindern, sondern trage zur Heroisierung der Gewalttäter bei. Die Anonymisierung des Täters sei eine grundlegende Maßnahme zur Vermeidung von Nachahmungstaten. „Wir wollen wissen, an welchen Stellen unsere ethisch-moralischen und gesetzlichen Sicherungen versagt haben“, schließt der Brief an Horst Köhler, Angela Merkel und Günther Öttinger.

Köhler: Jeder Einzelne muss Vorbild sein

Bundespräsident Köhler erklärte am Samstag bei einer Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufs von Winnenden, dass sich der Umgang mit gewaltverherrlichenden Computerspielen ändern müsse. „Es ist auch eine Frage der Selbstachtung, welche Filme ich mir anschaue, welche Spiele ich spiele, welches Vorbild ich meinen Freunden, meinen Kindern und Mitmenschen gebe“, sagte Köhler. „Zur Selbstachtung gehört es, dass man ‚Nein‘ sagt zu Dingen, die man für schlecht hält – auch wenn sie nicht verboten sind.“ Wichtig sei es, ein Gespür für „Gut und Böse“ zu haben. Unter den 7.500 Trauergästen war auch Bundeskanzlerin Merkel. Schon kurz nach dem Amoklauf am 11. März hatte das Staatsoberhaupt an die Nächstenliebe appelliert: „Dieser Tag mahnt uns auch, darüber nachzudenken, ob wir unseren Mitmenschen immer die notwendige Aufmerksamkeit entgegen bringen.“ (PRO)

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