Das moderne Europa hat den Griechen einiges zu verdanken. Zumindest dem antiken Griechenland. Neben olympischen Spielen, prägenden philosophischen Ideen oder dem Mathematikunterricht findet sich in der Tat auch die Grundform der Demokratie schon im Stadtstaat der Polis, zum Beispiel im alten Athen.
Ist die „Wiege Europas“ auf dem Weg, ein Katastrophengebiet zu werden?
Griechenland gilt als Wiege Europas. Doch 2.500 Jahre später sehen nicht wenige Europa genau dort scheitern, wo sein epochaler Aufstieg begann: zwischen Süd-Balkan, Peleponnes und Ägäis. Seit fünf Jahren wirft die fälschlicherweise als Euro-Krise bezeichnete Staatsschuldenkrise große Schatten auf den alten Kontinent. Und mehr und mehr entsteht der Eindruck, als würde das kleine Griechenland, das lediglich ein Prozent zur EU-Wirtschaft beiträgt, mit seinem 316-Milliarden-Euro-Schuldenberg den ganzen Kontinent in den Abgrund ziehen. Wenn selbst Kanzlerin Angela Merkel gesteht, sie blicke kaum noch durch, dann ist es verständlich, wenn Millionen Menschen in ganz Europa verunsichert sind.
Doch auch wenn Europa als Ganzes so schnell noch nicht dem Untergang geweiht ist, so entwickelt sich das Drama zwischen Saloniki, Athen und Kreta allmählich wirklich zur griechischen Tragödie. Der zahlungsunfähige Hellas-Staat ließ die ebenfalls kaum noch liquiden Banken schließen: Ändert sich nichts, dann ist es nur noch eine Frage von Wochen, bis die ohnehin schon vielfach verarmten Menschen nicht mehr an Lebensmittel, Medikamente oder Benzin für ihre Autos heran kommen.
Die Griechen sind Opfer fataler Fehlentwicklungen. Wahr ist aber auch, dass sie den linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, seinen gerade zurückgetretenen, irrlichternen Finanzminister Yanis Varoufakis sowie etliche Vorgängerregierungen nicht nur ins Amt gewählt, sondern auch deren unverantwortliche Schlendrian-, Günstlingswirtschafts- und Verschwendungspolitik gestützt haben. Es ist keine Woche her, dass 61 Prozent der wahlberechtigten Griechen sehenden Auges den Absturz-Kurs der Tsipras-Regierung legitimierten. Zugleich erteilten sie neuen Milliardenhilfen in Verbindung mit dringend notwendigen Reformen eine klare Absage.
Die arrogante Art und Weise, in der Tsipras und Varoufakis mit leeren Händen ihren Milliarden-Geldgebern in Brüssel gegenübertraten und ultimative Forderungen stellten, ist beispiellos. Und dass man in Athen die Partner regierungsamtlich als „Erpresser“ und „Terroristen“ verunglimpfte, zählt eher zu den unbedeutenden Verfehlungen. Von Beginn an ist die Geschichte der „Griechenlandrettung“ jedoch vor allem eine Serie von offenkundigen Rechtsbrüchen, Täuschungsmanövern und bewussten Irreführungen. Aus Sicht der christlichen Ethik sind dies keine guten Voraussetzungen, um schließlich zu guten Lösungen zu kommen. Zugleich ist vor diesem Hintergrund klar, dass die Reichen gegenüber den Armen Verantwortung tragen. Auch wenn in der Vergangenheit vieles verspielt wurde, werden neue Milliardenspritzen unumgänglich sein – doch zugleich müssen die Griechen endlich, endlich auch nachweislich Reformen bei Renten, Verwaltung und Steuersystem auf den Weg bringen. Womöglich wird es in den kommenden Wochen noch zu ganz anderen Formen der Unterstützung kommen: In Brüssel und Berlin wird bereits über humanitäre Hilfen nachgedacht, wie wir sie aus Katastrophengebieten kennen – damit die Menschen in Griechenland vor Hunger und Epidemien bewahrt bleiben. (pro)
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