Wie weit geht die grenzenlose Unterhaltung?

Die nordrhein-westfälische Medienaufsicht strebt ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Menschenwürde im Fernsehen an. Aus der Sicht des Direktors der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Jürgen Brautmeier, biete sich für einen Musterprozess eine umstrittene Szene aus der RTL-Reihe "Die Super Nanny" an.


Von PRO

Für den betroffenen Sender geht solch ein Schritt zu weit. RTL unterstütze aber die Erstellung eines Gutachtens des scheidenden Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio zum Thema Menschenwürde. Das Gutachten solle künftig Orientierung fürs Programm geben. "Was wir nicht brauchen, sind endlose Geschmacksdiskussionen und jahrelange Gerichtsverfahren", sagte RTL-Sprecher Christian Körner gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

 Wie eine Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts am Freitag mitteilte, hat der Jurist die Anfertigung eines Gutachtens abgelehnt. Die Anfrage habe zwar bestanden, "Herr Di Fabio hat klar gesagt, dass er während seiner Dienstzeit darüber nicht einmal reden wird."

Ein Verstoß gegen die Menschenwürde



Stein des Anstoßes ist aus Brautmeiers Sicht dieses Mal eine Szene, in der eine Mutter ihre fünfjährige Tochter mehrfach schlägt und beschimpft, was die "Super Nanny" selbst als "Kindesmisshandlung" bewertet habe. "Das ist aus unserer Sicht ein Verstoß gegen die Menschenwürde", zitiert die dpa Brautmeier: "Da hätte der Kameramann oder der Redakteur, der daneben stand, eingreifen müssen."

Auf Geheiß der Kommission Jugendmedienschutz verhängte die LfM deshalb ein Bußgeld in Höhe von 15.000 Euro gegen RTL. Der Sender hatte dagegen zunächst eine Klage beim Kölner Verwaltungsgericht eingereicht, zog diese aber wieder zurück und zahlte das Bußgeld. Während RTL-Sprecher Körner dies keineswegs als Schuldeingeständnis verstehen wollte, hätte Brautmeier nichts gegen einen Prozess bis in die höchste Instanz gehabt, "damit wir Kriterien und größere Klarheit für unsere Aufsichtsarbeit bekommen."


Weil Verstöße gegen die Menschenwürde in Fernsehsendungen immer wieder ein Thema sind, hatte die LfM am Donnerstag ein Gutachten veröffentlicht, das Fernsehmachern Klarheit geben soll, wo die Grenzen des Erlaubten sind. Im Einzelfall, so der Tenor des Gutachtens, sei es meist schwierig, Verstöße zu ahnden und zu belegen – eben weil die Rechtssituation unklar sei. "Je mehr wir dazu haben, desto konkreter können wir sagen: Hier ist eine Grenze, bitte nicht weiter", betonte Brautmeier. Das Gutachten von Nadine Klass mit dem Titel "Unterhaltung ohne Grenzen" greift alle Fälle auf, bei denen die deutsche Medienaufsicht den Menschenwürdegrundsatz bisher verletzt sah.

Beim Dschungelcamp hinterher nicht beschweren


Das Gutachten arbeite außerdem heraus, dass es bei der Bewertung eine Rolle spielen muss, ob der jeweilige Kandidat oder Beteiligte einschätzen konnte, was in der Sendung auf ihn zukomme. "Beim ‚Dschungelcamp‘ weiß man als Mitspieler mittlerweile, dass man da Würmer essen muss", sagte Brautmeier. "Hier kann man sich dann hinterher nicht beschweren. Obwohl es auch denkbar wäre, dass eine neue Dimension erreicht wird, die man vorher so nicht absehen konnte, und das wäre dann wieder problematisch." Gerade bei neuen Formaten verschwimme die Linie zwischen Selbstbestimmung der Kandidaten und Fremdbestimmung durch die Produzenten, so die Autorin der Studie Nadine Klass. (dpa/pro)

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