Wie viel Toleranz braucht Religion?

Gegenseitiger Respekt bewahrt vor Gewalt und ermöglicht Religionsfreiheit. Das Zusammenspiel beider Aspekte erklärt der SPD-Politiker Wolfgang Thierse in der aktuellen Ausgabe der Zeit – und gibt persönliche Einblicke.
Von PRO
"Die Botschaft des Evangeliums ist tiefe Begründung für Gerechtigkeitspolitik", schreibt Wolfgang Thierse
„Wir leben leider nicht in einer toleranten Gesellschaft“, schreibt Thierse in der Wochenzeitung Die Zeit. Dies hätten gesellschaftliche Debatten um Beschneidung, Moschee-Bauten, Karikaturen und Kruzifixe in den vergangenen Jahren gezeigt. Religion verursache auch heute immer wieder kriegerische Konflikte. „Manchmal möchte man zweifeln, ob Religionsgemeinschaften überhaupt fähig sind zu einem friedlichen Miteinander, zu einem Leben in Freiheit und Toleranz.“ Denn eines sei dabei nicht selbstverständlich: Toleranz. „In der Demokratie hingegen mit ihren Differenzen erweist sich Toleranz als notwendige und zugleich anstrengende Tugend, um die man sich sorgen muss – auch wenn Religions- und Meinungsfreiheit verfassungsmäßig garantiert sind.“

Demokratie notwendig für Religion

Der Staat ermögliche die Religionsfreiheit in Deutschland, schreibt Thierse, weil er auf sein Weltanschauungsmonopol verzichte. Diese Freiheit aber enthalte zugleich die Aufforderung an die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft, aus dem Privaten herauszutreten und den Gemeinsinn mitzuformen. Daher sei seitens der Religionsgemeinschaften Offenheit und Gesprächsbereitschaft von besonderer Bedeutung, findet der ehemalige Bundestagsvizepräsident. „Sie sind der einzige Schutz gegen die immanente Gefahr aller Religionen: gegen Radikalisierung, Sektierertum, Fundamentalismus und Gewalt.“ Demokratie sei für Religion daher notwendig, um sich zu entfalten.

„Evangelium ist ein befreiender Einspruch“

„Als Christ sehe ich die Botschaft des Evangeliums als tiefe Begründung für eine Gerechtigkeitspolitik, der es um die gleiche Würde jedes Menschen geht. Jeder Mensch ist ein Kind Gottes. Er ist mehr als Arbeitskraft und Konsument und Wähler“, schreibt der SPD-Politiker. „Für das Evangelium bemisst sich der Wert eines Menschen nicht an Erfolg, Schönheit oder Nützlichkeit. Das Evangelium ist ein befreiender Einspruch gegen die Dominanz des Ökonomischen wie auch die Absolutsetzung des Politischen.“ Wolfgang Thierse war von 1998 bis 2005 Präsident des Deutschen Bundestages, von 2005 bis 2013 schließlich dessen Vizepräsident. Er ist Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. (pro)
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