Wie viel Sonntagsschutz muss sein?

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hat Christen dazu aufgefordert, aus der Kirche auszutreten. Anlass für seine Äußerung ist die aktuelle Diskussion um die Ladenöffnungszeiten in deutschen Urlaubsgebieten – die so genannte "Bäderregelung".


Von PRO

Gläubige Christen müssten ernsthaft darüber nachdenken, "einer Vereinigung nicht mehr anzugehören, die einen in der eigenen Existenz ruiniert", so der FDP-Politiker gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Bisher dürfen die Geschäfte in deutschen Urlaubsorten an bis zu 45 Sonntagen im Jahr öffnen. Katholische und evangelische Kirche klagen zurzeit gegen diese Regelung. Sie wünschen sich, dass der Zeitraum auf Ende März bis Ende Oktober plus vier weitere Sonntage im Jahr eingeschränkt wird.



"Selbstbefriedigung einiger Kirchenfunktionäre"



Die Tatsache, dass die Kirchen leer seien, habe nichts damit zu tun, dass die Menschen am Sonntag auch einkaufen könnten, meinte der FDP-Fraktionschef, der sich selbst als gläubigen Christen bezeichnet. Die Landesverordnung Schleswig-Holsteins regelt das Einkaufen bisher wie folgt: "Die Bäderregelung erlaubt es Kur- und Erholungsorten, an Sonntagen zwischen dem 15. Dezember und dem 31. Oktober von 11 bis 19 Uhr zu öffnen – ‚für den Verkauf von Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs‘. Nicht geöffnet werden darf laut Landesverordnung am Karfreitag und am 1. Weihnachtstag. Am 1. Mai ist der Verkauf nur dann zulässig, wenn der Ladeninhaber persönlich an der Kasse steht." Derzeit machen in Schleswig-Holstein 95 Gemeinden von der Bäderregelung Gebrauch.



Kubicki stellte klar, dass von der Sonntagsöffnung Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen abhingen. Selbst viele Mitglieder der betroffenen Kirchengemeinden seien mit dem Vorgehen der Kirchenleitung nicht einverstanden. "Doch offenbar ist die Selbstbefriedigung einiger Kirchenfunktionäre wichtiger als die Frage, was Menschen in Schleswig-Holstein dient", zitiert ihn das Online-Portal der "Schleswig-Holsteinischen Zeitung". Schleswig-Holsteins SPD-Landesvize Andreas Breitner warf Kubicki dagegen vor, er stelle den Kommerz über den Menschen und dessen Anschauungen. Er empfehle, als Antwort auf Kubicki, allen freidemokratischen Christen den FDP-Austritt. Das sei die einzige Sprache, die Kubicki verstehe.



"Tag der Entschleunigung und Begegnung"

Der Theologe Gothart Magaard verteidigte die Klage der Kirchenleitung. Mit der aktuellen Regelung verliere der Sonntag seinen speziellen Charakter als Tag der "Entschleunigung und Begegnung". Der Sonntag habe neben der Kirche auch eine besondere Bedeutung für Familien, Freundschaften und Vereine. "Wir wissen sehr gut um die Bedeutung des Tourismus für unser Land", so Magaard gegenüber den "Lübecker Nachrichten". Dennoch müsse die jetzige Regelung auf den Prüfstand, um sie "mit Augenmaß" anzupassen. Magaard schloss nicht aus, dass durch eine Änderung der bestehenden Regel Arbeitsplätze gefährdet werden könnten. Konkrete Zahlen dafür aber gebe es nicht.



Die Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht immense wirtschaftliche Probleme, wenn die Bäderregelung tatsächlich verändert werden sollte. Laut IHK-Angaben machen die Unternehmen in den Urlaubsgebieten an den Sonntagen rund zehn Prozent ihres Umsatzes. Durch eine Einschränkung könnten Studien zufolge bis zu 2.500 Arbeitsplätze bedroht sein, hieß es. Ansätze von lokalen Handelsverbänden gehen sogar von bis zu 10.000 Jobs aus.

 (pro)

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