Wie viel Religion braucht die Schule?

An Gott glaubt in Deutschland kaum noch jemand – davon zumindest geht der Religionskritiker Philipp Möller aus. Über die Notwendigkeit der Kirche und die Existenz Gottes diskutierten am Sonntag Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft in der Sendung "Tacheles".
Von PRO

"Wie viel Kirche braucht das Land?" – Die Gäste der Talkshow "Tacheles" antworteten auf diese Frage mit Diskussionen über die Zahnfee, die Beziehung zwischen Kirche und Staat sowie die Grundwerte des christlichen Glaubens. "Die Wahrscheinlichkeit, dass der christliche Gott existiert, ist genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass Odin, Zeus oder Thor oder einer der 5.000 anderen Götter existiert", sagte der Sprecher der religionskritischen "Giordano Bruno-Stiftung", Philipp Möller. "Wir werden nie herausfinden, ob es diesen Gott gibt oder nicht. Wir werden auch nie herausfinden, ob es die Zahnfee wirklich gibt oder nicht." Möller fordert daher eine strikte Trennung von Kirche und Staat. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.

Der offensichtlich als Gegenpart zu den Kirchenvertretern geladene Kritiker wolle mit seiner Ansicht "schlicht darauf hinweisen", dass die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes "sehr gering" sei. An die "Legende des Fleisch gewordenen Gottes" glaube heute kaum noch jemand – auch nicht in Deutschland. Der Landesbischof aus Hannover, Ralf Meister, verwies allerdings auf die über 50 Millionen Deutschen, für die Gott noch eine Relevanz habe. "Wir reden da nicht über naive Zahnfeespinner." Die Kirchenmitgliedschaft sei noch immer ein Zeichen dafür, dass Menschen in Deutschland im Glauben einen Sinn fänden.

Als zentrale Aufgabe der Kirche sieht der CDU-Politiker Hermann Kues es daher, den Menschen eine Vorstellung von Gott zu vermitteln: "Durch die Art und Weise, wie man lebt, wie man Kirche lebt, vielleicht auch wie man argumentiert." Dies sei oft eine riesige Herausforderung, derer es Menschen bedarf, die sich zum Christentum bekennten und dies auch überzeugend lebten. Der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium kritisierte offen die "kulturelle Vergessenheit" in Deutschland. Die europäischen Wurzeln seien christlich. Auch Deutschland sei "ganz stark" von Christen geprägt worden. "Unser Grundgesetz ist ohne Christentum in dieser Weise überhaupt nicht vorstellbar."

Vor allem der Religionsunterricht leiste einen wichtigen Beitrag für die Vermittlung dieser Werte. Der Politiker verwies darauf, dass in Ostdeutschland viele Eltern ihre Kinder an einer christlichen Schule anmeldeten. "Es wäre geradezu aberwitzig, wenn die Schule alles anbietet, aber keinen Religionsunterricht." Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele allerdings findet das Schulfach an staatlichen Schulen jedoch überflüssig. "Religion als Pflichtfach für die Kinder in der Schule halte ich für falsch." Denn der Unterricht sei eine staatliche Veranstaltung, wo allgemeine Informationen vermittelt werden sollten. "Ich glaube, für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist heute die Würde des Menschen in unserer Gesellschaft wichtiger als sein Glaube an einen oder den einen Gott."

Religionsunterricht als Kostenfaktor

Möller sieht im Religionsunterricht ebenfalls wenig Nutzen. "Die konfessionelle Bibelstunde kostet alle Steuerzahler vier Milliarden Euro im Jahr". Erst als Student sei ihm die "politische Brisanz" der Religion bewusst geworden. "Als mir klar wurde, dass das System Christentum in Deutschland zum allergrößten Teil aus allgemeinen Steuergeldern finanziert wird und nicht aus Kirchensteuern, hat es mir gereicht."

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Emnid befürworten rund 71 Prozent den Religionsunterricht an staatlichen Schulen. "Das zeigt, dass die Menschen dieses Angebot wollen", sagte CDU-Politiker Kues. Gerade der Religionsunterricht vermittle Kindern bestimmte Leitgedanken und Werte, auf die viele Eltern Wert legten. Natürlich sei Toleranz gegenüber anderen Auffassungen unerlässlich. "Wenn uns das weiter wichtig ist, müssen wir auch Wert darauf legen, dass es weitervermittelt wird, und das leistet unter anderem der Religionsunterricht."

Die Kirche müsse sich ihrer Rolle für die Zukunft bewusst sein, mahnte Meister. "Ich glaube, dass die Kirchen in einem aufgeklärten Staat wie Deutschland eine hohe Verantwortung haben, auch die Verbindung von Glaube und Vernunft so voranzutreiben, dass sie Lehrstücke für andere Gläubige sein können." (pro)

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