"Lass uns heute Abend mal an Allah glauben und gucken, was passiert", sagt eine Mitfünfzigerin im Wohnzimmer zu ihrem Zeitung lesenden Ehemann. Darüber kann ich ja noch schmunzeln. Oder über die Frau, die angesichts von zwei missionierende "Krishna-Jüngern" an der Wohnungstür ihrem Mann zuruft: "Gerd, brauchen wir ’ne neue Religion, oder ist die alte noch O.K.?" Als Christ könnte man das als eine humorvolle, treffende Beschreibung unserer säkularisierten Welt betrachten.
Auch da, wo der Cartoonist Til Mette sich über andere Religionen lustig macht, lässt sich das noch relativ leicht wegstecken. Zum Beispiel die Zeichnung "Deutscher Buddhismus", auf der ein zorniger, meditierender westlicher Buddhist sagt: "Ich kann lächeln, und ich kann entspannt sein. Aber nicht beides zusammen, Himmel, Arsch!" Deutlich böser ist der Cartoon über einen Mann mit einem Sprengstoffgürtel, der mitten im Kino aufsteht, "Allahu akbar" ruft und von den sich gestört fühlenden Kinobesuchern zum Schweigen gebracht wird.
Bekenntnisfreude aufs Korn genommen
Weniger witzig ist dann schon die Karikatur mit der Bildunterschrift "Immer mehr Deutsche bekennen sich zu Jesus". Zu sehen ist ein Mann mit einem Transparent "Hupen Sie, wenn Sie Jesus lieben", der eine Kreuzung blockiert und damit die Autofahrer zu einem heftigen Hupkonzert provoziert. Gerade bei dieser Karikatur stellt sich für mich die Frage, warum mir das Lachen im Hals stecken bleibt. Vielleicht, weil die Einschläge immer näher kommen?
Manchmal provoziert das, was bei religiösen Themen nach unbotmäßigem Humor aussieht, die Frage: Bin ich meines Glaubens so gewiss, dass ich auch einmal darüber lachen kann? Kann ich auch über Witze lachen, die auf meine Kosten gehen? Und, wenn ja: Fehlt mir dann der nötige Ernst oder gar die notwendige Würde? Oder ist es ein Zeichen von Souveränität und Gewissheit? Im Hupkonzert-Cartoon wird die evangelikale Bekenntnisfreude aufs Korn genommen – und das tut schon ein bisschen weh.
Herausfordernder Humor
Überrascht und betroffen bin ich von der Karikatur "Streber-Immigranten!!!". Sie zeigt einen Straßenkünstler im Osterhasenkostüm, der auf einem Einrad mit Ostereiern jongliert. Ein Muslim-Vater erklärt seiner Familie: "Für Einheimische symbolisiert es das Zentralmotiv ihres Glaubens. Die Auferstehung Jesu!" Überrascht, weil Mette es hier mit wenigen Strichen schafft, deutlich zu machen, wie weit sich unsere abendländische Gesellschaft und Kultur vom Christentum entfernt hat. Betroffen, weil wir als Christen sicher nicht ganz unschuldig an diesem Zustand sind. Hier wäre mehr evangelikale Bekenntnisfreude angebracht – vorausgesetzt, wir gestalten unser Bekenntnis so, dass es auch tatsächlich in unserer Gesellschaft ankommt und wahrgenommen wird. An dieser Stelle wird Mette für mich zum Mahner, der den Finger auf den wunden Punkt legt, mich nachdenklich macht. Humor, der mich herausfordert.
Til Mette gehört zu den bedeutendsten Vertretern des US-amerikanischen Cartoon-Stils in Deutschland. Nicht ohne Grund sei er derjenige, der 1995 als Nachfolger des legendären Cartoonisten Gary Larson beim "Stern" ausgewählt worden sei, teilen die Ausstellungsmacher mit. Mettes Zeichnerkarriere begann in den 1970er Jahren bei Zeitungen aus dem alternativen Umfeld. Schon als Student zeichnete er für die "Süddeutsche Zeitung" sowie die "Frankfurter Rundschau" und finanzierte damit teilweise sein Studium. 1985 war er Gründungsmitglied der "taz" in Bremen.
Von 1992 bis 2006 lebte der 1956 in Bielefeld geborene Cartoonist in New York – und kann deshalb auch gut vergleichen: "Die Amerikaner wollen ein Thema lustig rüberbringen, und die Deutschen wollen eher belehren." Mette selbst liegt die amerikanische Haltung mehr. Ihm sei nicht daran gelegen, den Leuten einen Spiegel vorzuhalten, heißt es in einer Mitteilung der "Caricatura"-Galerie. "Ich bin nicht der, der anderen sagt: ‚Da geht’s lang.‘ Ich fühle mich aber stark genug, beim ‚Stern‘ zu sagen, was ich meine. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich unbedingt Recht habe."
Sympathien verscherzt
Unbedingt Unrecht hat Mette da, wo er eine Grenze überschreitet, hinter der er sich alle Sympathien im wahrsten Sinne des Wortes verscherzt. Für die einen ist es die Grenze zur Geschmacklosigkeit. Was sich möglicherweise noch verkraften lässt: Ein alter Herr, der Gott darstellen soll, weist darauf hin, dass er allgegenwärtig ist. Während ein junger Engel deutlich macht: "Das ist nicht mehr genug. Sie müssen auch bei Facebook sein." Für die anderen ist die Grenze da erreicht, wo die Identität des Glaubens lächerlich gemacht wird. Für uns Christen ist das, was Jesus am Kreuz für uns erlitten hat, heilig. Da hört der Spaß auf. Schon immer und für ewig. Deshalb ist ein Cartoon für mich nicht hinnehmbar, der einen Jesus zeigt, der entspannter am Kreuz hängt, weil er nicht unter Achselschweiß leidet.
Für Til Mette mag das die "Lust am albernen Witz" sein, wie er gegenüber der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung" sagte, für mich ist es Blasphemie. Ähnlich sieht es die evangelische Stadtdekanin Barbara Henrich, die bei der Eröffnungsrede zur Ausstellung laut einem Beitrag im Hessischen Rundfunk sagte, Karikaturen zu religiösen Themen seien heikel und mutig, weil sie sich in eine Grauzone oder darüber hinaus wagten. Das wirke befreiend. Allerdings empfinde sie es als schwierig, wenn Karikaturen nicht auf das Menschliche in der Kirche zielten, etwa wo die evangelische Kirche dem Zeitgeist hinterherlaufe. Wenn Gott als homosexuell Handelnder dargestellt werde oder Jesu ausgestreckte Arme am Kreuz als Haltung gegen Achselschweiß betitelt würden, sei für sie eine Grenze überschritten.
Schade, lieber Herr Mette. Witzige Ideen, gute, tief gehende Gedankenanstöße und dann das. Manchmal kann man den Bogen, mit dem man zu Recht auf Missstände zielt, auch überspannen. (pro)
Auch da, wo der Cartoonist Til Mette sich über andere Religionen lustig macht, lässt sich das noch relativ leicht wegstecken. Zum Beispiel die Zeichnung "Deutscher Buddhismus", auf der ein zorniger, meditierender westlicher Buddhist sagt: "Ich kann lächeln, und ich kann entspannt sein. Aber nicht beides zusammen, Himmel, Arsch!" Deutlich böser ist der Cartoon über einen Mann mit einem Sprengstoffgürtel, der mitten im Kino aufsteht, "Allahu akbar" ruft und von den sich gestört fühlenden Kinobesuchern zum Schweigen gebracht wird.
Bekenntnisfreude aufs Korn genommen
Weniger witzig ist dann schon die Karikatur mit der Bildunterschrift "Immer mehr Deutsche bekennen sich zu Jesus". Zu sehen ist ein Mann mit einem Transparent "Hupen Sie, wenn Sie Jesus lieben", der eine Kreuzung blockiert und damit die Autofahrer zu einem heftigen Hupkonzert provoziert. Gerade bei dieser Karikatur stellt sich für mich die Frage, warum mir das Lachen im Hals stecken bleibt. Vielleicht, weil die Einschläge immer näher kommen?
Manchmal provoziert das, was bei religiösen Themen nach unbotmäßigem Humor aussieht, die Frage: Bin ich meines Glaubens so gewiss, dass ich auch einmal darüber lachen kann? Kann ich auch über Witze lachen, die auf meine Kosten gehen? Und, wenn ja: Fehlt mir dann der nötige Ernst oder gar die notwendige Würde? Oder ist es ein Zeichen von Souveränität und Gewissheit? Im Hupkonzert-Cartoon wird die evangelikale Bekenntnisfreude aufs Korn genommen – und das tut schon ein bisschen weh.
Herausfordernder Humor
Überrascht und betroffen bin ich von der Karikatur "Streber-Immigranten!!!". Sie zeigt einen Straßenkünstler im Osterhasenkostüm, der auf einem Einrad mit Ostereiern jongliert. Ein Muslim-Vater erklärt seiner Familie: "Für Einheimische symbolisiert es das Zentralmotiv ihres Glaubens. Die Auferstehung Jesu!" Überrascht, weil Mette es hier mit wenigen Strichen schafft, deutlich zu machen, wie weit sich unsere abendländische Gesellschaft und Kultur vom Christentum entfernt hat. Betroffen, weil wir als Christen sicher nicht ganz unschuldig an diesem Zustand sind. Hier wäre mehr evangelikale Bekenntnisfreude angebracht – vorausgesetzt, wir gestalten unser Bekenntnis so, dass es auch tatsächlich in unserer Gesellschaft ankommt und wahrgenommen wird. An dieser Stelle wird Mette für mich zum Mahner, der den Finger auf den wunden Punkt legt, mich nachdenklich macht. Humor, der mich herausfordert.
Til Mette gehört zu den bedeutendsten Vertretern des US-amerikanischen Cartoon-Stils in Deutschland. Nicht ohne Grund sei er derjenige, der 1995 als Nachfolger des legendären Cartoonisten Gary Larson beim "Stern" ausgewählt worden sei, teilen die Ausstellungsmacher mit. Mettes Zeichnerkarriere begann in den 1970er Jahren bei Zeitungen aus dem alternativen Umfeld. Schon als Student zeichnete er für die "Süddeutsche Zeitung" sowie die "Frankfurter Rundschau" und finanzierte damit teilweise sein Studium. 1985 war er Gründungsmitglied der "taz" in Bremen.
Von 1992 bis 2006 lebte der 1956 in Bielefeld geborene Cartoonist in New York – und kann deshalb auch gut vergleichen: "Die Amerikaner wollen ein Thema lustig rüberbringen, und die Deutschen wollen eher belehren." Mette selbst liegt die amerikanische Haltung mehr. Ihm sei nicht daran gelegen, den Leuten einen Spiegel vorzuhalten, heißt es in einer Mitteilung der "Caricatura"-Galerie. "Ich bin nicht der, der anderen sagt: ‚Da geht’s lang.‘ Ich fühle mich aber stark genug, beim ‚Stern‘ zu sagen, was ich meine. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich unbedingt Recht habe."
Sympathien verscherzt
Unbedingt Unrecht hat Mette da, wo er eine Grenze überschreitet, hinter der er sich alle Sympathien im wahrsten Sinne des Wortes verscherzt. Für die einen ist es die Grenze zur Geschmacklosigkeit. Was sich möglicherweise noch verkraften lässt: Ein alter Herr, der Gott darstellen soll, weist darauf hin, dass er allgegenwärtig ist. Während ein junger Engel deutlich macht: "Das ist nicht mehr genug. Sie müssen auch bei Facebook sein." Für die anderen ist die Grenze da erreicht, wo die Identität des Glaubens lächerlich gemacht wird. Für uns Christen ist das, was Jesus am Kreuz für uns erlitten hat, heilig. Da hört der Spaß auf. Schon immer und für ewig. Deshalb ist ein Cartoon für mich nicht hinnehmbar, der einen Jesus zeigt, der entspannter am Kreuz hängt, weil er nicht unter Achselschweiß leidet.
Für Til Mette mag das die "Lust am albernen Witz" sein, wie er gegenüber der "Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung" sagte, für mich ist es Blasphemie. Ähnlich sieht es die evangelische Stadtdekanin Barbara Henrich, die bei der Eröffnungsrede zur Ausstellung laut einem Beitrag im Hessischen Rundfunk sagte, Karikaturen zu religiösen Themen seien heikel und mutig, weil sie sich in eine Grauzone oder darüber hinaus wagten. Das wirke befreiend. Allerdings empfinde sie es als schwierig, wenn Karikaturen nicht auf das Menschliche in der Kirche zielten, etwa wo die evangelische Kirche dem Zeitgeist hinterherlaufe. Wenn Gott als homosexuell Handelnder dargestellt werde oder Jesu ausgestreckte Arme am Kreuz als Haltung gegen Achselschweiß betitelt würden, sei für sie eine Grenze überschritten.
Schade, lieber Herr Mette. Witzige Ideen, gute, tief gehende Gedankenanstöße und dann das. Manchmal kann man den Bogen, mit dem man zu Recht auf Missstände zielt, auch überspannen. (pro)