Meinung

Wie groß ist die Macht der Kirchen?

In einer RTL-Dokumentation fragt der frühere Verteidigungsminister zu Guttenberg nach der Macht der Kirchen und begibt sich auf Spurensuche. Anschauen lohnt sich – weil die Dokumentation bei einem Thema alles richtig macht.
Von Martin Schlorke
zu Guttenberg

Seit diesem Jahr sind weniger als die Hälfte der Deutschen Mitglied in einer der beiden großen Kirchen. Darüber berichten landauf, landab die Medien. Damit einher geht nicht selten die Frage nach der Bedeutung der Kirchen im 21. Jahrhundert.

Richtig ist aber auch, dass nach wie vor knapp 40 Millionen Menschen weiterhin in der Kirche sind. Vielleicht fragt sich deshalb der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, wie viel Macht die Kirchen in Deutschland haben. In der RTL-Dokumentation „KT Guttenberg – Um Gottes willen? Die Macht der Kirche in Deutschland“ begibt sich der frühere CSU-Politiker auf Spurensuche.

Die Suche beginnt – wie sollte es anders sein – beim Geld. Kirchensteuern, Staatsleistung, Immobilien, Grundbesitz, dazu Brauereien und Banken. Die Kirchen scheinen in Geld zu schwimmen. Insgesamt, so heißt es in der Doku, macht die Kirche jährlich über 100 Milliarden Euro Umsatz und besitzt Land von 830.000 Hektar Fläche. Das ist circa drei Mal so groß wie das Saarland. Das klingt schon sehr nach (finanzieller) Macht.

Einfluss auf das Privatleben

Bis hierhin gleicht die Dokumentation einem interessantem Zahlen- und Erklärstück. Schon deswegen lohnt sich die Doku. Immer wieder kommen Experten oder Journalisten mit kurzen O-Tönen zu Wort. Etwa Günther Jauch, der konstatiert, dass ohne die Kirchensteuer „sehr viel zusammenbrechen wird“, etwa im sozialen Bereich.

Im Anschluss macht sich zu Guttenberg an die heißen Eisen: Stichwort kirchliches Arbeitsrecht. Im Gespräch mit dem Transmann Theo Schenkel stellt der frühere Politiker fest, dass die Kirche die Macht habe, mithilfe des Arbeitsrechts Lebensträume zu befördern oder zu zerstören. Etwa wenn, wie bis vor kurzem praktiziert, der Arbeitnehmer einen gleichgeschlechtlichen Partner hat. Dadurch habe die Kirche „großen Einfluss auf das Privatleben ihrer Mitarbeiter.“

Weitere Machtbereiche, die in der Dokumentation beleuchtet werden, sind Medien, Sexualmoral oder Politik. So trifft zu Gutenberg in Berlin den Linken-Politiker Gregor Gysi, um mit ihm über den Einfluss der Kirchen im Bundestag zu reden. Dieser stellt fest, dass die Kirche nach wie vor großen Einfluss in der Politik habe. Dieser sei aber weniger stark als in der Vergangenheit.

Macht und Machtmissbrauch

Ein echtes Highlight ist im Film das Gespräch zwischen zu Guttenberg und dem Journalisten Andres Englisch, der seit vielen Jahren aus dem Vatikan berichtet. Dieser fällt ein ernüchterndes Urteil über den Synodalen Weg in Deutschland. In Rom interessiere sich keiner dafür. Schließlich könne nur der Papst solch weitreichenden Reformen der Kirche beschließen. Und diesen habe er bereits eine Abfuhr erteilt. Es wird deutlich: Den Machtkampf zwischen Rom und Deutschland kann nur Rom gewinnen.

Was spätestens an dieser Stelle auffällt: In der Dokumentation geht es hauptsächlich um die katholische Kirche, auch wenn der Titel die evangelische mit einschließt. Dem Wert der Doku tut das aber kein Abbruch.

Einen großen Raum in der Doku wird dem Thema Missbrauch in der katholischen Kirche eingeräumt – völlig zurecht. Auch wenn es an dieser Stelle vielmehr um Machtmissbrauch als um Macht geht. Zu Gutenberg nähert sich diesem Thema auf der wohl am besten geeigneten Weise: Er spricht mit einem Betroffenen.  

Eine Dokumentation auf RTL über die Macht der Kirchen lässt die Vermutung zu, dass ein Bild einer mächtigen Kirche gesponnen wird, die mit ihrer dunklen Geschichte und geheimen Orden noch heute die politischen Geschicke mitbestimmt. Doch nichts davon ist in „KT Guttenberg – Um Gottes willen? Die Macht der Kirche in Deutschland“ der Fall. Auf ehrliche, informative, durchaus entwaffnende und vor allem in Gesprächen einfühlsame Weise beantwortet zu Guttenberg diese Frage. Absolute Empfehlung.

Zu sehen ist die 90-minütige Dokumentation bereits jetzt auf „RTL+“, die kostenpflichtige Streaming-Plattform von RTL. Im Free-TV feiert sie bei „ntv“ am 26. Dezember Premiere.

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