Wie Erwachsene zum Glauben finden

Eine Studie der Universität Greifswald zeigt: Bekehrungen im Erwachsenenalter passieren – und zwar im Rahmen traditioneller Landeskirchen. Oft stammen Konvertiten gar aus nicht-christlichen Elternhäusern. Das Fazit der Wissenschaftler: Mission ist möglich – ihre Erhebung verrät, wie.

Von PRO

"Das wichtigste Ergebnis unserer Studie ist
vielleicht, dass Erwachsene zum Glauben kommen", erklärte Michael Herbst
vom Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald
bereits vor einigen Monaten gegenüber pro. Nun haben er und sein Team diese
Erkenntnis mit Zahlen untermauert. In dieser Woche erschienen die ersten
Ergebnisse der Studie "Wie finden Erwachsene zum Glauben?" der Ernst
Moritz Arndt-Universität Greifswald. Dafür werteten die Wissenschaftler 539 Fragebögen
aus. 462 der Befragten sind innerhalb der letzten 13 Jahre in die evangelische
Landeskirche konvertiert. Die Erhebung ist laut Uni Greifswald die bisher größte
ihrer Art innerhalb der Evangelischen Landeskirche in Deutschland – und ihre
Ergebnisse überraschten sogar die Wissenschaftler selbst.

Drei Typen von Konvertiten

Die Erhebung unterscheidet drei Typen von Konvertiten. Michael Herbst erklärte gegenüber pro: "Wir haben herausgefunden, dass es drei Muster gibt. Das erste Muster nennen wir ‚Wende‘. Das sind Menschen, die keine kirchliche Früherziehung bekommen haben, sondern als Erwachsene eine Erstbegegnung mit Kirche und Evangelisation haben. Es gibt eine zweite Gruppe, die nennen wir ‚Entdeckung‘. Das sind Menschen, die irgendwie schon mit Kirche vertraut sind und in bestimmten Rhythmen, etwa an Weihnachten, in die Kirche gehen, aber ansonsten nicht viel davon halten und plötzlich entdecken: Hier gibt es viel mehr für mich, als ich gedacht hätte. Fast die überraschendste Gruppe nennen wir ‚Vergewisserung‘. Das sind Menschen, die eigentlich immer schon dabei waren. Die waren vielleicht sogar Mitarbeiter oder im Kirchenvorstand und merken etwa in einem Glaubensgrundkurs, dass sie noch nie zur Freude und Gewissheit im Glauben gefunden hatten, für die also mitten in der Kirche erstmals das Evangelium wie eine helle Sonne aufgeht."

Dabei tritt der Typ "Entdeckung" laut Studie mit 41 Prozent am häufigsten auf. 35 Prozent fallen unter die Gruppe "Vergewisserung" und 24 Prozent unter "Lebenswende". Gemeinsam haben alle Gruppen, dass die ihnen zugeordneten Konvertiten Glaubenskurse und Hauskreise bei ihrer Glaubensentwicklung als wichtig empfunden haben. Das geben rund 60 Prozent aller Befragten an.

Gerade der Kontakt zu gläubigen Menschen ist ein wichtiger Aspekt der Konversion. In der Gruppe der "Entdecker" sind Freunde und Bekannte die wichtigste Bezugsgruppe. 84 Prozent dieser Befragten nannten sie als "bedeutsame Personen auf dem Glaubensweg". Bei den Befragten, die zur Gruppe der "Lebenswende" gezählt werden, spielten Ehepartner eine besonders wichtige Rolle. Für 54 Prozent waren Gatte oder Gattin wichtig für den Glaubensweg. In der Gruppe der "Vergewisserer" spielen mit 88 Prozent besonders Pfarrer oder mit 63 Prozent Ehrenamtliche eine große Rolle. Im Laufe des Konversionsprozesses verlieren die Freunde für den Glaubensweg an Bedeutung. Dann werden Pfarrer wichtiger.

Bekehrung – auch außerhalb christlicher Familien

Unter dem Motto "Mission is possible" (Mission ist möglich) machen die Wissenschaftler deutlich, dass Konversionen auch dann passieren, wenn die Betroffenen keinen christlichen familiären Hintergrund haben. So waren 23 Prozent der Mütter der Befragten konfessionslos und 28 Prozent der Väter. Bei 22 Prozent der Befragten waren beide Elternteile konfessionslos. Evangelisch waren beide Elternteile bei 45 Prozent, katholisch bei 10 Prozent und freikirchlich bei einem Prozent. Das Fazit dieses Aspekts der Studie lautet: "Auch ohne religiöse Primärsozialisation sind Wege zum Glauben möglich."

"Wie finden Erwachsene zum Glauben?" fragt auch nach dem Zusammenhang von Lebenskrisen und Konversion. Hat der Weg in die Kirche etwas mit Krisen zu tun? Die Antwort der Uni Greifswald: ja und nein. 40 Prozent der Befragten gaben an, in der Kirche Unterstützung bei einer einschneidenden Erfahrung erhalten zu haben. Für zwei Drittel der Befragten waren es laut Wissenschaftlern aber nicht die tiefen Lebenseinschnitte, die zum Nachdenken über den Glauben Anlass gaben.

"Fromm sein können, wenn niemand zusieht"

Neben den Glaubenskursen und Hauskreisen tragen auch Gottesdienste ihren Teil zum Glaubensweg bei. 87 Prozent der Befragten gaben den traditionellen Gottesdienst als "bedeutsame Veranstaltung auf dem Glaubensweg" an. Das Abendmahl nannten 84 Prozent und alternative Gottesdienste 68 Prozent. Die Studie weist auch auf die Bedeutsamkeit des Gebetes hin. Vor allem in der Phase der Kontaktaufnahme mit der Kirche nehmen die Befragten Fürbitteangebote und Friedensgebete wahr. Im Laufe der Konversion beten sie verstärkt im Stillen. Für die Wissenschaftler folgt daraus: Kirche sollte die Gebetspraxis fördern nach dem Motto "Gebt den Leuten die Chance, fromm zu sein, wenn niemand zusieht."

"Konversion ist ein Phänomen der Mitte" meinen die Wissenschaftler und meinen damit: Menschen finden mitten in der Landeskirche zum Glauben. Konvertiten sind zudem oft Menschen in der Mitte des Lebens, sowohl was Ausbildungsstand und Alter, als auch berufliche Tätigkeit angeht. Die meisten Menschen, die laut Studie zum Glauben gefunden haben, sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, haben Abitur oder Mittlere Reife und sind erwerbstätig.

Glaube macht fröhlich

Die Befragung zeigt außerdem, dass das "Festmachen" der Konversion oft mit Ritualen verbunden ist, etwa dem Gebet, dem Gang zum Abendmahl oder der Taufe. Konvertiten haben als Konsequenz ihres Glaubensweges eine intensivere Glaubenshaltung. Freude wird als Wirkung durch die Veränderung im Glauben erlebt und die Verbundenheit mit der Kirche steigt.

Das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) ist ein Institut der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Es arbeitet in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) und der Pommerschen Evangelischen Kirche. Für diese Studie arbeitete das Institut mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen und wurde von der Deichmann-Stiftung unterstützt. (PRO)

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