Der Islam hat ein anderes Verständnis vom Märtyrertum, als dies im Juden- und Christentum der Fall ist. Das hat der Münchener Historiker Michael Wolffsohn in einem Essay in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung herausgearbeitet.
Von PRO
Foto: Martina Blatt
Michael Wolffsohn beschäftigt sich in der FAZ mit der Rolle von Märtyrern in verschiedenen Religionen
Für Michael Wolffsohn gibt es offensive und defensive Märtyrer. Im christlichen und jüdischen Glauben opferten sich die Menschen für sich und ihren Glauben und töteten dabei keine anderen Menschen. Ihr Tod sei unfreiwillig, ihrem Verständnis zufolge sei Gott der Herr über Leben und Tod. Muslimische Attentäter hingegen seien das „handelnde, andere Menschen ermordende Subjekt“. Der Mensch erhebe sich zum Herrn über Leben und Tod und vernichte fremdes Leben. Er gebe Gott „Nachhilfe“.Aus Wolffsohns Sicht gibt es Koranstellen, die dazu aufrufen, Ungläubige zu bekämpfen und zu töten – „aber aus der Defensive“. Viele Talmudisten im Judentum bezweifelten dagegen, ob ein Martyrium sinnvoll sei. Als christlichen Märtyrer schlechthin bezeichnet Wolffsohn Jesus Christus. Seine eigene Gewaltlosigkeit sei tödlich geendet. Für die Christen folge danach aber der Triumph der Auferstehung. „Frühchristen und Juden schöpften gerade aus der Macht- und Gewaltlosigkeit ihre Kraft und Machtmöglichkeit“, schreibt der Historiker.
Die Juden hätten durch ihre ständige Verfolgung überlebenswichtige Hochleistungsstrukturen entwickelt. Die Gründung des Staates Israel 1948 werde als eine Art Auferstehung interpretiert. Wolffsohn nennt für die Kraft der Gewaltlosigkeit auch politische Vorbilder wie Mahatma Gandhi, der durch „angewandte Gewaltlosigkeit“ den Weg zur Unabhängigkeit Indiens geebnet habe.
Der Gegner soll verunsichert werden
Für den Münchener Historiker sind dschihadistische Selbstmordattentäter Ketzer. Er verweist auf den katholischen Fundamentaltheologen Eugen Biser, demzufolge „ein Mensch nicht zugleich Mensch und Bombe“ sein könne. Islamistische Selbstmordkiller griffen, wie alle Terroristen, die „Zivilbevölkerung ihres Feindes an“. Dabei komme es ihnen vor allem darauf an, die Gegner zu verunsichern. Durch die Unkalkulierbarkeit ihrer Angriffe gehe es darum, sich die Gegner politisch gefügig zu machen.
Wenn Menschen sich dem kollektiven Selbstmord hingeben, wie bei der Verteidigung der antiken Festung Massada, löse dies eine Überlebensschuld aus. Das defensive Märtyrertum stärke und schließe die eigenen Reihen. Positiv sieht Wolffsohn, dass Menschen „sterben, damit andere gut im Sinne von menschenwürdig und ethisch leben können.“ Auch das offensive Märtyrertum binde Einzelne oder Gruppen an die Gemeinschaft der Märtyrer: „Doch es ist eben nur ein Überleben, das anderen Tod bringt.“ Wolffsohn warnte vor einer Kollektivschuld: „Terroristen sind derzeit vor allem Muslime, aber eben nicht alle Muslime sind Terroristen. Wie jedes Kollektiv wird die Mehrheit der Unschuldigen durch die Minderheit der Schuldigen stigmatisiert.“ (pro)
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