„Das tut mir richtig weh.“ Heinrich Bedford-Strohm ist verärgert. Wieder wird der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche damit konfrontiert, dass er und Reinhard Kardinal Marx in Israel beim Besuch des Tempelberges das Amtskreuz um den Hals abgenommen haben. Von Unterwerfungsgesten gegenüber dem Islam war damals die Rede gewesen.
Bedford-Strohm will das so nicht stehen lassen. „Es ist doch absurd, ob man als Erstes bei mir wahrnimmt, ob ich ein kleines Kreuz, ein großes oder überhaupt keines trage“, sagte der Geistliche auf einer Podiumsdiskussion des Kongresses christlicher Führungskräfte am Donnerstag.
Natürlich bekenne er weiterhin Christus, „auch in der Moschee“. Seinen Glauben verstecke er nicht, schließlich lebe Dialog davon. „Es hilft nichts, eine Harmoniesoße darüber zu schütten.“ Im Jahr zuvor habe es auf dem Tempelberg sogar Tote gegeben. Die Reiseleitung habe aufgrund von Sicherheitsbedenken dann die Empfehlung gegeben, die Kreuze abzunehmen.
Auch an der Klagemauer habe ein Rabbi dies empfohlen. Deshalb seien die Besucher der Sicherheitseinschätzung gefolgt. Es sei aber eine völlig andere Botschaft in die Welt gegangen.
Um ethische Grauzonen ging es in der Podiumsdiskussion, also um Situationen, in denen verschiedene Interessen gegeneinander abgewägt werden. Im Fall des abgenommen Kreuzes war es die Frage, ob es wichtiger ist, mit einem offen getragenen Kreuz seine Religion zu bekennen oder aus Sicherheitsgründen darauf zu verzichten.
Der frühere Journalist und jetzige Unternehmensberater Michael Inacker meinte, gerade in diesen Grauzonen biete die Kirche zu wenige Angebote für Führungskräfte in der Wirtschaft, vor allem in den Dax-Konzernen. Diese Menschen habe die Kirche bereits verloren. Inacker kritisierte, dass die Kirche zu sehr schwarz-weiß denke, anstatt ethische Konfliktfälle angemessen zu beurteilen.
Bedford-Strohm widersprach dieser Ansicht. So gebe es durchaus differenzierte EKD-Denkschriften zum Thema Wirtschaftsethik. Außerdem erführen Initiativen des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer immer mehr Zuspruch.
„Bekennen wir unseren Glauben, dann kommen die Menschen auf uns zu“
Für den Unternehmer Friedhelm Loh gibt es Grauzonen vor allem im Bereich der Korruption. Es sei schwierig, eine Grenze zu ziehen, wo Nicht-Korruption ende und Korruption anfange. „Ganz schnell kommen Führungskräfte in eine Situation, in der sie wie in einem Spinnennetz gefangen sind.“ Christen sollten ihre Türe auch für diese Menschen offenhalten, damit diese „aus dem Gefängnis eines Fehlers wieder rauskommen“.
Vor allem sei es wichtig, beim Einzelnen anzusetzen, sagt der Vorsitzende der Friedhelm Loh Group. Wenn er bei Geschäftstreffen vor dem Essen bete, sei dies in mehr als der Hälfte der Fälle ein Einstieg für ein Gespräch über den Glauben. „Bekennen wir unseren Glauben, dann kommen die Menschen auf uns zu.“
Von: nf