Wer ist eigentlich Goliath?

Die Bibel erzählt viel und ausführlich über David und seinen Kampf gegen die Philister. Zu dem wohl bekanntesten Feind des Hirtenjungen sagt das Buch jedoch wenig. Der Comiczeichner Tom Gauld hat Goliath nun eine Graphic Novel gewidmet, die fragt: Was wäre, wenn Goliath ein netter Kerl war?

Von PRO

Die Geschichte ist in der Sonntagsschule und Kinderbibeln so unumgänglich wie das Amen im Vater Unser: Die Philister kämpfen gegen die Israeliten, plötzlich taucht ein Riese auf und fordert das Volk Gottes heraus. Besiegt wird dieser schwerbewaffnete Goliath ausgerechnet von dem kleinen Hirtenjungen David, und das auch noch mit einer Steinschleuder. Die Israeliten gewinnen den Krieg, David wird König. Nicht umsonst ist die biblische Geschichte eine der bekanntesten der Welt, zeigt sie doch eines der wichtigsten Prinzipien im christlichen Glauben auf: Gott ist in und durch die Schwachen mächtig.

Auch in der neuen Graphic Novel des schottischen Comiczeichners Tom Gauld geht es um die Frage nach Stärke und Schwäche. Doch statt den Fokus wie in der biblischen Erzählung auf die Stärke des schwach scheinenden David zu legen, nimmt der Künstler die Schwäche des stark wirkenden Goliath in den Blick. Die gleichnamige Novelle erzählt seine Geschichte. Und die ist tragisch.

"In Verwaltung bin ich ziemlich gut"

Goliath ist in dieser Erzählung keineswegs das blutrünstige Monster, das nur darauf wartet, die Israeliten zu zermalmen. Er ist ein Schreibtischtäter. Tag für Tag sitzt der Drei-Meter-Hüne seine Dienststunden in der Verwaltung des Philister-Lagers ab. Von sich selbst sagt er: "Ich bin kein Krieger. Ich bin der fünftschlechteste Schwertkämpfer in meiner Einheit. Ich mache den Schreibkram. In Verwaltung bin ich ziemlich gut."

Schließlich kommt sein Kommandant auf die Idee, die Größe des freundlichen und folgsamen Buchhalters für seine Zwecke zu nutzen. Er lässt ihm eine Rüstung und einen Schild anfertigen und schickt ihn ins Grenzgebiet zwischen die feindlichen Lager. Dort verliest Goliath den – übrigens wortgenau aus der Bibel übernommenen – Aufruf an die Israeliten, sie mögen einen Kämpfer schicken, der es mit ihm aufnehmen könne. Der Sieger habe den Krieg gewonnen. 40 Tage lang fordert Goliath den Feind auf Befehl seines Vorgesetzten immer und immer wieder heraus. Für diese Zeit ist er nicht nur ins Exil zwischen die Lager verbannt worden, er ist auch in Sorge, es könne irgendwann wirklich zu einem Kampf kommen – einen solchen hat der Riese nämlich noch nie geführt. Das sei kein Problem, versichert ihm sein Hauptmann unterdessen. Es gehe nur darum, die Israeliten einzuschüchtern. Das Ende der Geschichte ist bekannt. David tritt schließlich auf die Bildfläche und tötet Goliath.

Bei Gauld ist Goliath, der in Braun- und Grautönen gezeichnet ein wenig an Dik Brownes "Hägar der Schreckliche" erinnert, nicht mehr als ein Kriegsopfer. Seine Größe ist ihm zum Verhängnis geworden. Damit taugt die neue Version dieser biblischen Geschichte weniger für den Religionsunterricht, wird aber zu einer starken Anti-Kriegs-Parabel, die zeigt: Kämpfe fordern unschuldige Opfer auf beiden Seiten. Wohl um genau diese Geschichte im Vordergrund stehen zu lassen, sind die Zeichnungen einfach und skizzenhaft gehalten. Christen muss die neue Version von David und Goliath nicht stören, denn die Bibel wird hier keinesfalls verfälscht. Lediglich der Blickwinkel ändert sich. Damit zeigt Gauld, was auch das Wort Gottes an vielen Stellen unterstreicht und was nicht zuletzt auch in der ursprünglichen Geschichte von David und Goliath steckt: Der Schein kann trügen. (pro)

Tom Gauld, "Goliath", Reprodukt, 96 Seiten, 15 Euro, ISBN 978-3-943143-26-3

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