Wer darf Sünden vergeben?

Darf ein Radiosender Sünden vergeben? Diese Frage beschäftigt derzeit Christen in Deutschland. Auslöser dafür ist eine Aktion des privaten Radiosenders "Energy", der seinen Hörern die Vergebung ihrer Sünden verspricht.
Von PRO

"Wir zeigen nicht mit dem Finger auf dich, sondern machen dein Gewissen rein." Mit diesem Satz wirbt der Radiosender schon seit etlichen Wochen. Hörer bekommen die Möglichkeit, ihre Sünden zu beichten. Die übrigen Hörer dürfen dann entscheiden, welche von ihnen vergeben werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um folgende Sachverhalte: Eine Hörerin hat die Lieblings-High-Heels ihrer besten Freundin ruiniert, weil bei einem Date der Hund ihrer Affäre die Schuhe zerknabbert hat. In einem weiteren Fall hat eine Frau in das teure Auto ihres Chefs beim Einparken eine Delle gefahren.

74 Prozent der Hörer stimmten bei den zerknabberten High-Heels für die Vergebung. Weniger Glück hatte Pascal: Bei einer Mutprobe hat er ein Handy geklaut, wurde dabei erwischt, und auf der Flucht ist ihm das Gerät heruntergefallen. Jetzt muss er 450 Euro bezahlen. 83 Prozent der Hörer wollten ihm die Sünde nicht vergeben. In Deutschland ging "Energy" 1991 im Ballungsraum Berlin auf Sendung. Weitere Radiostationen folgten in Sachsen, München, Hamburg, Nürnberg, Bremen, der Region Stuttgart und im Rhein-Main-Gebiet. In Rheinland-Pfalz wurde der Sendebetrieb wieder eingestellt. Der Sender hat 233.000 Hörer pro Durchschnittsstunde.

"Sünden vergeben kann allein Gott"

"Natürlich ist es nicht gut, dass sich ein Sender an die Stelle Gottes setzt. Denn Sünden vergeben kann lediglich Gott. Der Privatsender nutzt nun einmal alle Möglichkeiten, um in der Öffentlichkeit für Aufsehen zu sorgen", erklärte der Chef vom Dienst (CvD) der Rundfunkarbeit des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), Thomas Dörken-Kucharz, auf Anfrage von pro. Zugleich schränkte er ein, dass nur wenige Menschen auf das Angebot reagierten. "Von daher sind wir nicht sehr alarmiert." Wenn man einige rhetorische Spitzen wegnehme, finde auf der Internetseite des Senders eine vernünftige moralische Argumentation statt, was eine Gesellschaft ertragen könne. Zu große Aufmerksamkeit wolle er der Aktion aber auch nicht schenken: "Je mehr wir drauftreten, desto größer ist die Bühne für den Sender."

Deutlich anders sieht das Wolfgang Baake, Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP. "Der Radiosender verletzt in schlimmster Art und Weise mit seiner Sendung die religiösen Gefühle der Christen." Aus Baakes Ermessen sei es nicht hinzunehmen, wie "Energy" leichtfertig mit dem Sündenbegriff umgehe und diesen verharmlose: "Sünde ist nach christlichem Verständnis Trennung des Menschen von Gott. Diese kann nicht von Menschen und schon gar nicht von einem Radiosender vergeben werden." Baake forderte die Landesrundfunkanstalt Berlin dazu auf, zu überprüfen, ob solche Sendeinhalte mit der an den Sender vergebenen Lizenz im Einklang stünden. Auf Anfrage von pro wollte sich der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz Matthias Kopp nicht zu der Thematik äußern. (pro)

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