Die zweite Staffel der schwedischen Serie „The Congregation“ (Die Gemeinde) startet am 25. August auf Viaplay. Viaplay ist die größte TV- und Streamingplattform Skandinaviens und ist auch in Deutschland über Amazon Prime verfügbar. In den sechs Folgen mit je 45 Minuten Länge geht es um eine fanatische christliche Gemeinde in Schweden.
Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten aus dem Jahr 2004. Beim „Knutby-Sektenfall“, der für Aufsehen sorgte, verübte Helge Fossmo, Pastor der Pfingstgemeinde in dem 500-Einwohner-Dorf Knutby bei Uppsala, Morde an seiner Frau und seinem Nachbarn.
In der ersten Staffel von „The Congregation“ (Originaltitel: „Knutby“), die in Deutschland auch bei Apptle TV+ zu sehen ist, gerät die junge Anna in der abgelegenen Pfingstgemeinde in die Fänge der fanatischen Sekte. Anna findet in der Pfingstgemeinde eine Anstellung als Kindermädchen, sie ist fasziniert von den charismatischen Sektenoberhäuptern Eva und Sindre. Doch mehr und mehr sieht Anna hinter die idyllische Fassade und enthüllt ein Netz aus Machtspielen und Manipulationen, Zwang und spirituellem Missbrauch.
Die erste Staffel zeigt Gemeindeleiterin Eva, die dem Wahn anhängt, die Braut Christi zu sein; sie verbindet ihr sexuelles Verlangen mit ihren religiösen Vorstellungen, schläft mit Männern aus der Gemeinde und behauptet dabei stets, es geschehe „für Jesus“. Die zweite Staffel spielt nach den Morden, und die Filmemacher haben die Geschichte der Gemeinde fortgesponnen.
Von den Mordfällen wird in der „Filadelfia“-Gemeinde bei Uppsala mittlerweile kaum mehr gesprochen. Doch ein Fernsehsender drehte einen Dokumentarfilm über die berühmt-berüchtigte Gemeinde und holt alte Fragen wieder hervor. Eva tut, was sie bereits in der ersten Staffel tat, sie verführt dieses Mal den schönen, verheirateten Neuankömmling Örjan – und behauptet, Gott wolle es so. Örjan wiederum tut es ihr gleich, er verführt Frauen aus der Gemeinde und legitimiert das mit Gottes Willen.
Zweifelhafte Bibelstunden mit Körperkontakt
Der geistliche Missbrauch, der in der echten Gemeinde offenbar tatsächlich stattgefunden hat, kommt in dieser Serie zwar zur Geltung, doch hier stehen die sexuellen Verflechtungen im Vordergrund. Die charismatische geistliche Führerin Eva (der man offensichtlich einen Satz schwarzer Kontaktlinsen verpasst hat, damit sie noch etwas düsterer aussieht) hat ihre Schäfchen im Griff – dank des festen Glaubens, der die Gemeinde zusammenhält. Eva meint, Gottes Ansichten über jedes einzelne Mitglied genau zu kennen: „Wenn ich sehe, dass jemand auf dem falschen Weg ist, kann ich es ihm sofort sagen.“ Denn: „Liebe heißt auch, einem zu sagen, dass er falsch lebt.“ Eva sieht sich selbst als die „Braut Christi“ – normalerweise im Christentum als Symbol für die Gemeinde insgesamt gesehen. Eva selbst lässt es allerdings nicht zu, dass jemand anderes ihr ein Bibelwort auslegt, denn:. „Mein Wort wiegt mehr als Paulus!“
In den „Bibelarbeiten“ geht es auch immer wieder um Sex. „Sex ist nichts Schlechtes“, lehrt da etwa der geistliche Leiter. Alle gehen hier insgesamt sehr körperlich miteinander um, in einer anderen Bibelarbeit sollen die Teilnehmer „Vertrauen lernen“ und sich anfassen. Örjan gibt sich auch einer Schülerin gegenüber zunächst als der fürsorgliche Helfer, dann missbraucht er ihr Vertrauen immer mehr und missbraucht sie. Als immer mehr von den Missbräuchen ans Licht kommt, eskaliert die Situation.
SMS von Gott befehlen Mord
Insgesamt werden die Gemeindemitglieder nicht als Ungetüme oder als rückständige Sonderlinge dargestellt, sondern als normale Menschen. Wir sehen Lobpreis-Gottesdienste, wie sie tatsächlich in Pfingstgemeinden stattfinden könnten. Doch eine Religionspsychologin klärt im Fernsehen über die Gemeinde in Knutby auf: „Es ist eine Sekte, kontrolliert von einem charismatischen Führer.“
Im echten „Knutby-Sektenfall“ wurden in der Nacht des 10. Januar 2004 zwei Gemeindemitglieder, Alexandra Fossmo und ihr Nachbar Daniel Linde, in ihren Häusern erschossen. Die Fernsehdokumentation „Pray, Obey, Kill“ (Beten, Gehorchen, Töten) des Senders HBO erläuterte den Fall und alle noch offenen Fragen. Kurz nach dem Angriff gestand das Kindermädchen der Fossmos, Sara Svensson, den Mord. Sie war offenbar Helge Fossmos Geliebte. Laut der Dokumentation sagte Svensson der Polizei, dass sie SMS von Helge Fossmo erhalten hatte, von denen sie glaubte, sie kämen von Gott. Diese SMS wiesen sie an, diese Morde zu begehen, wenn sie wieder die Gunst von Jesus bekommen wolle.
„Helges Wort war mein Gesetz“, sagte die junge Frau 2004 vor Gericht. „Durch Gottes Gnade wurde ich seine Sklavin.“ Helge Fossmo und Sara Svensson wurden beide vom Gericht für schuldig befunden. Helge wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, Svensson kam in die Psychiatrie. Doch die Person, die das eigentliche Sagen im Dorf und in der Gemeinde hatte, war offenbar Åsa Waldau, die als „Braut Christi“ bezeichnet und von den Bewohnern für Jesu Frau gehalten wurde. Die HBO-Dokumentation wirft die Frage auf: Warum hat die Polizei sie zum Zeitpunkt des Mordes nicht genauer unter die Lupe genommen? Ehemalige Bewohner von Knutby erinnerten sich an die körperliche Gewalt, den emotionalen Missbrauch und die sexuelle Ausbeutung, die Åsa Waldau anwandte.
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In der Serie „The Congregation“ wurden die Namen der Personen geändert. Åsa Waldau ist hier Eva Skoog. Die schwedische Boulevardzeitung „Aftonbladet“ schrieb: „Die Mitglieder der Gruppe waren gezwungen, ihr zu dienen: Es war wichtig, dass um die Braut Christi Frieden herrschte, um die Wiederkunft Jesu nicht zu verzögern oder zu verhindern. Wer diesem Grundsatz nicht gerecht wurde, galt als ‚falsch‘ und konnte mit gerechter Gewalt bestraft werden.“ Im März 2020 wurde Waldau in acht Fällen der Körperverletzung ehemaliger Gemeindemitglieder für schuldig befunden, in sechs weiteren Fällen freigesprochen und zu einer Bewährungsstrafe mit 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
„The Congregation“, Viaplay und Amazon Prime, Episoden 1 und 2: ab 25. August, 3-4: ab 1. September, 5-6 ab 8. September. Schwedisch mit deutschen Untertiteln, ab 16 Jahren.