„Wenn ihr euch in Deutschland bewegen wollt, müsst ihr unsere Geschichte kennen“

Erstmals haben muslimische Flüchtlinge und jüdische Jugendliche gemeinsam die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wertet das als positives Zeichen gegen Antisemitismus.
Von PRO
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein

Vor kurzem besuchten muslimische Flüchtinge und jüdische Jugendliche gemeinsam die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Die Union Progressiver Juden, also der Dachverband von mehrheitlich reformjüdischen Gemeinden und Organisationen in Deutschland, und der Zentralrat der Muslime in Deutschland entwickelten die Idee zu der Reise. Junge Flüchtlinge sollten damit für das besondere deutsch-jüdische Verhältnis sensibilisiert werden, berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) in einer Reportage über die Reise. Außerdem sei die Unternehmung eine Reaktion auf jüngste antisemitische Vorfälle, wie der eines jungen Syrers im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält die gemeinsame Reise nach Auschwitz für eine gute Möglichkeit, Brücken zu schlagen. Das Projekt vermittele den Jugendlichen Werte und sende die Botschaft: „Wenn ihr euch in Deutschland erfolgreich bewegen wollt, müsst ihr unsere Geschichte kennen – selbst wenn ihr persönlich nichts damit zu tun habt“, sagte Klein im FAS-Interview. Um sich in Deutschland integrieren zu können und die Werte des Landes zu verstehen, sei es wichtig, die deutsche Geschichte zu kennen. „Jeder, der an so einer Gedenkstätte war, kehrt anders zurück, als er hingekommen ist“, sagte Klein.

Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte sollte für Schüler obligatorisch sein, meint der Antisemitismusbeauftragte. So ein Besuch müsse im Politik- oder Geschichtsunterricht aber gut vorbereitet werden. Die Schüler sollten außerdem mindestens 14 Jahre alt sein. Klein sprach sich zudem dafür aus, dass alle Schüler gemeinsam die Stätte besuchen sollten – nicht nur Flüchtlinge. „Sie können sich dann über ihre unterschiedlichen Erfahrungen bei dem Besuch austauschen.“

Klein: Jüdische Gemeinden müssen aktiver werden

Klein kritisiert, dass Flüchtlinge bislang nur wenig in die Erinnerungsarbeit einbezogen wurden. „Wir haben grundsätzlich große Versäumnisse in der Arbeit der Integration von Muslimen zu verzeichnen“, sagte er. Neben dem Besuch von Gedenkstätten, „sollten wir verstärkt Projekte durchführen, die zeigen, wie auch Muslime unter der Ausgrenzung durch die Nazis gelitten haben“. Klein schilderte den Fall des ägyptischen Arztes Mohammed Helmi, der während der Nazizeit ausgegrenzt wurde und ein jüdisches Mädchen bei sich versteckt hielt. Auch die Rolle der Türkei in der Nazizeit könne stärker beleuchtet werden.

Jüdischen Gemeinden empfahl Klein, aktiv Angebote zu machen, das „Judentum kennenzulernen und als Teil unserer Kultur wahrzunehmen – nicht nur für die muslimische, sondern insgesamt für die Bevölkerung“. Besonders erfreulich sei es, dass sich auch der Zentralrat der Muslime für die gemeinsame Reise zur KZ-Gedenkstätte eingesetzt habe. Der Rat vertrete jedoch nicht alle Muslime in Deutschland. „Ich würde mir wünschen, dass da beispielsweise von anderen Islamverbänden wie Ditib, zu dem viele Muslime gehören, noch mehr kommt“, sagte Klein.

Von: Swanhild Zacharias

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