Wenn die Bibel zur „heißen Ware“ wird

Vor dem Fall des "Eisernen Vorhangs" Bibeln aus der DDR in die Sowjetunion zu schmuggeln, war fast schon ein Himmelfahrtskommando. Dazu gehörte viel Risikobereitschaft und Mut. Einer, der diesen Mut aufbrachte, war der DDR-Pfarrer Gernot Friedrich. "Spiegel Online" hat die Geschichte des 74-jährigen Theologen aufbereitet.
Von PRO

Bis auf zwei Ausnahmen gelang es Friedrich, die Kontrollorgane an der Grenze zu täuschen. "Einmal sah die Kontrolleurin aber bewusst über den Verstoß hinweg, das zweite Mal wurden die Bibeln konfisziert und demonstrativ neben beschlagnahmte Pornohefte gestellt", heißt es in dem "Spiegel Online"-Bericht. Die Akte der Staatssicherheit über den Theologen ist bis auf 3.000 Seiten angewachsen. Im Nachhinein weiß er, dass zahlreiche Spitzel auf ihn angesetzt wurden, die ihn aus dem Verkehr ziehen sollten – notfalls auch umbringen.

Unbekümmert und naiv

Er selbst zeigt sich froh darüber, damals unbekümmert und naiv an die Sache heran gegangen zu sein: "Die Sowjetunion hat die Bibel gefürchtet wie die Bombe", betont er. Ihm sei gar nicht klar gewesen, wie nah er am Abgrund gestanden habe, als er ungefähr 20-mal mit den Bibeln über die Landesgrenze gelangte.

Bei seinen Reisen in die Sowjetunion spürte Friedrich den Hunger der Menschen nach Religiosität. Diesen  wollte er mit den Bibeln stillen, denn im kommunistischen Russland mangelte es an allem, "besonders an der Heiligen Schrift". Von Leipzig aus fuhr Friedrich mit den Bibeln nach Polen und übergab sie dort einem befreundeten Pfarrer. "Wenn er dann Wochen später per Zug und Transitvisum in die Sowjetunion reiste, reichte ihm der Pfarrer kurz vor der Grenze einen Beutel mit den Büchern ins Zugfenster", schreibt Friedrich. Seine Gastgeschenke fanden reißenden Absatz.

Seine Reisetätigkeit wurde von der Staatssicherheit mit Argwohn betrachtet
"Sehr anpassungsfähig" sei der Herr Pfarrer auf seinen Reisen, hieß es in den Unterlagen und er "erschleicht sich das Vertrauen der Menschen". Er wird beschattet und wäre einmal beinahe der Staatssicherheit ins Netz gegangen, die ihm mehrfach "perfide Fallen" stellte.

Er liebt das freie Reisen

"Am Ende hatte der Thüringer wohl unfassbares Glück. Mehrmals wurde er in der Sowjetunion festgenommen, doch man konfiszierte nur seine Dia-Filme und verwies ihn des Landes. In der DDR wurde Friedrich stundenlang verhört und des Landesverrats beschuldigt", heißt es in dem Bericht auf "Spiegel Online". Man entzog ihm zwischenzeitlich seinen Pass, was ihn am meisten traf, da er nun nicht mehr reisen durfte. Doch dabei blieb es, auch weil die Kirche für ihn intervenierte. Heute genießt Friedrich die Tatsache, dass er frei reisen kann. In Kürze möchte er wieder eine Reise antreten, die ihn unter anderem nach Russland führt. Seine Erlebnisse hat er in dem Buch "Mit Kamera und Bibel durch die Sowjetunion" niedergeschrieben, das 1997 erschienen ist. (pro)

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