Wenn der Mörder auf die Kanzel will

Ein verurteilter Mörder findet in der Haft zu Gott und will Theologie studieren – mit dem Segen der Kirche. Das ist der Plot des Films „Der Prediger“, den die ARD am Mittwochabend zeigt. Im Anschluss daran diskutiert der Regisseur mit den Zuschauern über die Frage: „Darf ein Mörder Priester werden?“ Eine Filmkritik von Martina Schubert
Von PRO
Bischofsreferent Remberg (Devid Striesow, l.), will die Wahrheit vom inhaftierten Mörder Geissler (Lars Eidinger) wissen. Dabei gerät Remberg in eine Glaubenkrise
Spricht ein inhaftierter Mörder die Wahrheit, wenn er sagt, durch die Haft geläutert worden und zum Glauben gekommen zu sein? Dieser Frage muss sich Ralf Remberg (Devid Striesow) als Referent des Bischofs stellen. Darüber gerät der ordentliche Bürokrat selbst in eine Krise – mit seinem Glauben, Leben und der Kirche. Der Mann, der diesen Zweifel an Grundsätzlichem in ihm auslöst, ist Gefängnis-Insasse Jan-Josef Geissler, gespielt von dem großartigen Lars Eidinger. Vor Jahren soll Geissler eine junge Frau getötet haben, deswegen sitzt er im Gefängnis. Nun will er zu Gott gefunden haben, Theologie studieren und sogar Priester werden. Er bittet für sein Studium um den Segen der Kirche, obwohl er diesen nicht braucht. Doch treibt Geissler, der zwischenzeitlich eine Wiederaufnahme seines Falles bewirken will, in Wirklichkeit etwas anderes an? Und darf ein Mörder Priester werden? Die Dialoge zwischen dem Bischofsreferenten Remberg und dem Inhaftierten Geissler sind regelrechte Duelle um ein Richtig und Falsch auf die vielschichtigen Fragen nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Remberg kommt dabei ins Grübeln über seinen Glauben – das erste Mal in seinem Leben: Ein Bischofsreferent, der auszog, um seinen Glauben zu hinterfragten. Remberg steht in dem Film für die Institution Kirche, während Geissler eher einen spirituellen Glauben vertritt. Während seiner Recherche dringt Remberg in den Dunstkreis Geisslers ein. Der Gefängnispfarrer Klaus Spori (Götz Schubert) begleitet ihn dabei. Auch lernt Remberg die schöne Sabine Feininger (Susanne Wolff) kennen, die als Prostituierte arbeitet, zu der auch Geissler ging. Durch die Gespräche mit ihr fühlt sich Remberg beflügelt, auch mal etwas aus sich herauszukommen. Die Handlung wirkt nicht immer nachvollziehbar. In der Schlüsselszene spricht der verurteilte Geissler gegenüber Remberg nach nur kurzer Zeit Klartext über den Mord. Aber das geht alles viel zu schnell. Auf den Zuschauer kann das unglaubwürdig wirken. Warum? Diese ganze Geschichte beruht zwar auf einer wahren Begebenheit, in Realität zog sie sich aber über einen Zeitraum von rund 30 Jahren.

„Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdient habe.“

Würze bekommt der Film ganz klar durch die Hauptakteure Devid Striesow und Lars Eidinger. Die beiden sind alte Bekannte, denn zwischen Mitte und Ende der 1990er lernten sie in einem gemeinsamen Jahrgang an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ihr Handwerk. Eidinger beherrscht die Psychospielchen in der Rolle des Geisslers perferkt, obwohl ihm der Drehbuchautor und Regisseur Thomas Berger zu wenig Zeit für volle Entfaltung gibt. Die bekommt er nur in der Anfangsszene und im Endpart – leider. Der Film müsste eigentlich „Der Referent des Bischofs“ heißen, denn zeitlich bemessen dominiert Remberg das Geschehen. Das Drehbuch hätte lieber auf den Nebenschausplatz der Flirts zwischen Sabine Feininger und Remberg verzichten können. Aber ganz ohne Liebesgeplänkel geht es wohl nicht. Bischof Blum (Erwin Steinhauer) repräsentiert die Institution Kirche: Ausgerechnet sie tut sich schwer mit der Situation, einem verurteilten Mörder zu vergeben. In dem Film erfährt die Presse von dem Fall, dass ein verurteilter Mörder auf die Kanzel will. Ein Konflikt für die Kirche zwischen öffentlicher Meinung und den eigenen Gemeinden ist damit vorprogrammiert. Das Werk ist alles in allem eine Mischung aus „Tatort“ und Kammerspiel, in dem fast jeder Akteur – von Geisslers Anwalt bis zum Vater des Opfers – einen klugen Spruch zu Jesus oder der Kirche fallen lässt. Der Film regt auch zum Nachdenken über die eigene Haltung zu Schuld und Vergebung an. Dazu trägt vor allem der Satz von Gefängnispfarrer Spori bei, der sein Leben prägte: „Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten.“ Wer nach dem Film ab 21.45 Uhr noch über Fragen wie „Darf ein Mörder Priester werden?“ diskutieren möchte, kann dies mit Regisseur und Drehbuchautor Thomas Berger sowie den Produzenten Ernst Ludwig Ganzert und Thorsten Neumann auf dem Blog www.woranglauben.de tun. „Der Prediger“, Deutschland 2013, ARD, FSK 12, Mittwoch, 5. Februar, 20.15 Uhr Der Film ist zudem online bis Mittwoch, den 12. Februar, täglich ab 20 Uhr in der ARD-Mediathek zu sehen
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/vom-emkriminellenem-zum-evangelisten/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/die-suehne-eines-emmassenmoerdersem/
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/tatort-emopfer-mit-christlichem-hintergrundem/
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