Wenn der heimliche Seitensprung zum öffentlichen Thema wird

Seit Wochen streitet der Kapuzinermönch Paulus Terwitte öffentlich mit den Betreibern eines Internet-Seitensprung-Portals. Der Chef von "AshleyMadison.com" hat nun die Thesen des aus Funk und Fernsehen bekannten Geistlichen in einer Plakataktion angegriffen. Der wiederum freut sich: "Der heimliche Seitensprung wird zum öffentlichen Thema!"
Von PRO

Immerhin: Die beiden streitenden Parteien stehen in regem Kontakt miteinander und treffen sich sogar. Angefangen hatte alles mit einem Weblog, den der Frankfurter Texter und Berater Johannes Faupel vor zwei Monaten ins Netz stellte: Auf seiner Internetseite www.statt-seitensprung.de geht der Autor gegen die Ansicht vor, dass ein "Seitensprung", also das Fremdgehen zu einer gesunden Beziehung dazugehöre (pro berichtete). Faupel spricht heikle Fragen von kriselnden Ehen an und gibt Tipps, wie Partner wieder glücklich miteinander werden können. Vor allem aber hat er es auf das Webportal "AshleyMadison.com" abgesehen. Denn das hat den Seitensprung kommerzialisiert.

Faupel zitiert Werbesprüche des Onlineportals wie etwa: "Das Leben ist kurz. Gönn’ dir eine Affäre" und greift sie daraufhin an: "Und was geschieht mit denen, die nach dem Seitensprung unter den Folgen leiden, die unter Umständen bei der Scheidung ihrer Eltern zusehen müssen, weil Ashley Madison jemanden zum Fremdgehen verleitet hat?" Früher hätte man wegen "Kuppelei" angeklagt werden können, so der Initiator der Webseite. "Heute scheint nicht einmal das Familienministerium, dem der Schutz der Familie anvertraut ist, etwas dagegen zu haben, wenn der Seitensprung offiziell und gewerbsmäßig vermittelt wird." Die Kosten für psychotherapeutische Behandlung überträfen bei weitem die Einnahmen, die ein Staat durch Firmen wie "Ashley Madison" machen könne, so Faupel, der seit kurzem auch bei Twitter unter dem Namen "@keine_affairen" aktiv ist.

Plakate gegen Bruder Paulus

An Aschermittwoch bekam Faupel prominente Unterstützung für seine Webseite. Der Kapuzinermönch Bruder Paulus Terwitte, der aus verschiedenen Fernsehsendungen bekannt ist, machte  Werbung für die Webseite www.statt-seitensprung.de. Auch  Terwitte griff die Betreiber des Seitensprung-Portals scharf an. Für Bruder Paulus ist es die "schäbigste aller Verführungen", wenn Menschen "überredet werden, sich im Internet zum Fremdgehen zu verabreden, ein Lügengebäude aufzubauen und den Partner auszutricksen". Stattdessen empfiehlt der Mönch, an der Sexualität in der eigenen Beziehung zu arbeiten, etwa mit Wellness-Wochenenden, Liebesbriefen und Fernseh-Auszeit.

Bruder Paulus und Johannes Faupel hatten sich vor einer Woche in Frankfurt mit dem Europa-Geschäftsführer von "Ashley Madison", Christoph Krämer, getroffen. Die drei verständigten sich darauf, ihre Argumente jeweils öffentlich über das Internet auszutauschen. "Ashley Madison" startete daraufhin eine Plakataktion gegen Terwitte, seinen Mitstreiter und ihre Argumente gegen den Seitensprung. Das Motiv zeigt zwei Gesichter von Frauen: Die eine ist alt und unansehnlich, und neben ihrem Gesicht steht: "Bruder Paulus empfiehlt: Fasten und Enthaltsamkeit." Das andere Bild zeigt eine junge, hübsche Frau, und neben ihr stehen die Worte: "AshleyMadison.com empfiehlt: Genieße das Leben und gönn‘ die einen Seitensprung". Mit diesen rund 3.000 Plakaten und Flyern rund um das Liebfrauenkloster in Frankfurt und einem offenen Brief wollte das Onlineportal auf die Kritik reagieren.

"Ashley Madison"-Chef Krämer sagte gegenüber dem Branchenmagazin "Werben & Verkaufen", er sei früher selbst Messdiener gewesen, könne aber mit den Geboten der Kirche zum Thema Fremdgehen allein aus beruflichen Gründen nichts anfangen. "Wir beobachten das muntere Treiben von Bruder Paulus nun schon eine ganze Weile und fragen uns, wie ernst man die Beziehungstipps eines zölibatär lebenden Mönchs nehmen kann", so Krämer. Seine Firma habe "Zehn Gebote" des Fremdgehens aufgestellt. Diese wiederum kommentierte Faupel auf seinem neuen Weblog "treue.statt-seitensprung.de". Auch wenn bei den ersten Punkten große Zustimmung herrscht, etwa dass es notwendig sei, an einer Beziehung zu arbeiten, ist es vor allem "Gebot" 10, gegen das Faupel Einspruch erhebt. "Wenn alles nichts hilft: Das Leben ist kurz. Gönn’ Dir einen Seitensprung." Dem setzt er entgegen: "Wer seinem Partner mit Leidenschaft und Wertschätzung begegnet, der oder die wird kaum auf die Idee kommen und auch keinen Sinn darin erkennen können, den Partner planmäßig hintergehen zu wollen." In jedem Fall freuen sich Faupel und Terwitte: "Der heimliche Seitensprung wird zum öffentlichen Thema – und auch die Risiken, die mit jedem Seitensprung verbunden sind."

Versprechen ewiger Liebe auch von Gott

Am Montag, den 2. April, widmete sich Sat.1 dem Thema mit einer Fernsehsendung. Bruder Paulus war zu Gast in der Sat.1-Sendung "Eins gegen Eins". Zur Frage der Sendung "Ist Monogamie noch zeitgemäß?" sagte der Philosophie-Professor Franz Josef Wetz, "die ewige Liebe" sei ein Produkt des 18. Jahrhunderts. "Heimliche Affären stabilisieren den Beziehungsalltag", so Wetz, der Autor des Buches "Lob der Untreue" ist. Er selbst lebe in einer "offenen Beziehung".

Talk-Gast Terwitte erwiderte, zu ihm als Seelsorger kämen Menschen, die sich versprochen hätten, den Partner zu lieben und zu ehren, so lange sie leben. "Das ist kein Zwang, da geht es nicht um Erotik. Das ist eine Entscheidung der ganzen Person. Das wollen Menschen mit einem großen und heiligen Ernst."
Dieses Liebesversprechen gelte für die meisten auch dann, wenn man etwa keine sexuelle Erfüllung mehr in der Beziehung erfahre. Ein gleiches Versprechen der ewigen Liebe habe Gott gegenüber den Menschen ausgesprochen.

Neben Terwitte stritt die Schauspielerin Jenny Elvers-Elbertzhagen für Ehe und Treue. Zu einer glücklichen Ehe gehöre auch, dass sich die Partner ernsthaft für einander interessierten und dass man in einer Ehe miteinander wachse. Das sollte nicht nur die Sexualität betreffen, so Elvers-Elbertzhagen.

Terwitte argumentierte gegen das in der Gesellschaft weit verbreitete Bild, dass eine Partnerschaft hauptsächlich für die "Schmetterlinge im Bauch" zuständig sei. "Wenn ich mich an einen Partner nur so lange binden will, wie er bei mir für Schmetterlinge im Bauch sorgt, aber nicht darüber hinaus, ist das eine Unverschämtheit!" Es gehe um den Wert eines Menschen, und der bemesse sich nicht nur an dessen erotischer Ausstrahlung.

Terwitte, der als "Bruder Paulus" bekannt ist, veröffentlichte bis 2005 im Internet täglich einen kurzen Kommentar zur aktuellen Schlagzeile der "Bild"-Zeitung. Der Großstadtseelsorger tritt oft in Fernsehsendungen auf und hält Radio-Andachten. Seit 2002 ist er Gastgeber der Talksendung in der Reihe N24 Ethik "Um Gottes Willen", seit Januar 2011 ist die Sendung "So gesehen – Talk am Sonntag" jeden zweiten Sonntag auf Sat.1 zu sehen. (pro)

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