Wenn Atheisten nerven

Wenn er auf einer Party davon berichte, dass er gläubig sei, ernte er meistens eine Tirade an Anfeindungen, schreibt der Journalist Raoul Löbbert in der Wochenzeitung Die Zeit. Dabei ist er sich sicher, dass es auch für hartgesottene Atheisten Momente gebe, wo sie existenziellen Trost brauchen.
Von Jörn Schumacher
Moderne Atheisten wollen nicht diskutieren, sondern nur die eigene Ignoranz bestätigt sehen, schreibt der Journalist Raoul Löbbert in der Wochenzeitung Die Zeit

Berichtet er auf einer Party, dass er ein Journalist sei, der über Religion, Kirche und Katholizismus schreibe, „entgleisen in der Regel die Gesichtszüge der Umstehenden, und ich werde als enttarnter Gläubiger auf Kreuz und Rosenkranz gescannt“, schreibt Raoul Löbbert unter der Überschrift „Atheisten nerven“ in der Wochenzeitung Die Zeit.

Laut dem Marktforschungsnetzwerk WIN-Gallup stehe Deutschland mittlerweile auf Platz sechs der atheistischsten Länder der Erde, gleich hinter Südkorea und vor den Niederlanden. In Berlin etwa gehöre der Atheismus zur „weltanschaulichen Grundausstattung des Bürgertums unter 40“, schreibt der Autor. Daher müsse er nun einmal als Christ mit der Gleichgültigkeit oder dem Befremden der anderen leben.

„Nervig bis unerträglich“ werde der Atheismus allerdings, wenn er nach einer Grundsatzdiskussion über Sinn und Unsinn von Religion verlange. „Irgendein bekennender Heide fühlt sich durch meine bloße Existenz persönlich beleidigt und schmeißt mir ein ‚Religion lässt sich heilen‘ oder ‚Katholizismus ist alimentierter Kindesmissbrauch‘ an den Kopf“, schreibt Löbbert. Auf einmal sehe die Partygesellschaft in ihm „das personifizierte Mittelalter“.

Moderne Atheisten wollen gar nicht diskutieren

Dabei sei der Atheismus doch längst auf dem Durchmarsch, wundert er sich. „Es wirkt so, als prügelten sie auf einen Toten ein.“ Bei Artikeln über den Papst müllten Atheisten die Kommentarspalten „voll mit ihrem Kirchenhass“. Sie beleidigten einen in Blogs oder auf Facebook.

Dabei habe man früher mit „Kulturatheisten“ immerhin noch diskutieren können. „Weil sie neugierig waren und dieselben Fragen stellten. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Worauf kann man hoffen in dieser Welt?“ Der „moderne Heide“ hingegen wolle nicht diskutieren, Wissen sei ihm „schnuppe“. Löbbert notiert: „Es genügt ihm, die eigene Ignoranz bestätigt zu sehen.“ Der moderne Atheist mime den Ratio-Übermenschen nur, er interessiere sich nicht für philosophische Theorien und Beweise. Und weiter schreibt der Journalist: „Der moderne Atheist hat sich in seiner spirituellen Unbehaustheit derart häuslich eingerichtet, dass er keiner weiteren Hoffnung bedarf.“

Dabei ist sich der Autor sicher, dass jeder Mensch an einen Punkt im Leben stoßen könne, wo Hoffnung bitter nötig sei. Dann ergehe es einem vielleicht wie dem Skandal-Schriftsteller Michel Houellebecq oder dem amerikanischen Astronomen Allan Sandage, die die meiste Zeit ihres Lebens Religion abgelehnt hatten, nach Wendungen im Leben jedoch doch viel über die Gottesfrage nachdächten. „Irgendwann stellt sich doch die große Frage nach dem Sinn. Weil man in die Jahre kommt. Weil Verwandte sterben oder Freunde. Den selbstbewusstesten Heiden kann es dann auf einmal nach Trost gelüsten.“

Von: Jörn Schumacher

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