Wenders-Film über Papst: Predigt ohne Knalleffekt

Der Vatikan hat den großen deutschen Filmemacher Wim Wenders angeheuert, um Papst Franziskus zu porträtieren. Am Donnerstag läuft die Dokumentation in den deutschen Kinos an. Ihr fehlen nicht nur die kritischen Untertöne, sie erzählt auch nichts Neues. Eine Filmkritik von Anna Lutz
Von Anna Lutz
Der Papst ganz nah: Wim Wenders hat eine Hommage an das katholische Oberhaupt in die Kinos gebracht

Der Papst predigt salbungsvolle Worte vor Menschenmengen in der ganzen Welt. Seine Zuhörer lauschen mit Tränen in den Augen. Der Papst berührt Kranke, Gefängnisinsassen und die Überlebenden von Naturkatastrophen salbungsvoll an Haupt und Händen. Sie sehen ihn dankbar an. Der Papst spricht vor der UN-Vollversammlung oder dem US-Kongress über politische Fehlentwicklungen. Die Politiker erheben sich, lächeln, applaudieren, sind sehr gerührt.

Nein, das ist nicht alles, was in Wim Wenders Film „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ zu sehen ist, der in dieser Woche in Deutschland startet. Aber schon nach einer halben Stunde hat der Zuschauer das Gefühl, dass der weltbekannte Filmemacher seine Hommage an den Papst – denn das soll sein Werk sein und nichts anderes – vor allem mit Bildern wie diesen anfüttert. Der Zuschauer soll verstehen: Dieser Franziskus ist charismatisch. Er ist eine Galionsfigur des fortschrittlichen Christentums und zugleich beseelt vom Geist des Bettelmönchs Franz von Assisi. Er steht zu den Armen, für Gerechtigkeit und einen Paradigmenwechsel im Vatikan.

Nun mag das nicht ganz falsch sein, aber eben doch unvollständig. Denn auch dieser Papst hat in der Vergangenheit bereits Kritik auf sich gezogen, etwa für seine konservative Sicht auf das Thema Homosexualität oder jüngst beim Streit um das Abendmahl verschiedenkonfessioneller Ehepartner. Wenders interessiert das wenig. Ihm geht es darum, eine Heldengeschichte zu erzählen: Ein Mann schafft es mit Gottvertrauen und Ausdrucksstärke von den Straßen Buenos Aires’ (wo Franziskus in einer Szene predigt) bis in den Vatikan. Dort krempelt er das alte System um, liest der von Raffgier durchzogenen Kurie die Leviten und predigt die Rückkehr zur Armut als „Zentrum des Evangeliums“.

Wim Wenders und Papst Franziskus bei den Dreharbeiten Foto: Universal Pictures
Wim Wenders und Papst Franziskus bei den Dreharbeiten

Nun macht Wenders selbst keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Franziskus. Der einst katholische und nun evangelische Regisseur und Macher von bekannten Filmen wie „Buena Vista Social Club“ oder „Der Himmel über Berlin“ bezeichnet sich selbst als „ökumenischen Christen“ und sagte jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Ich bin kein investigativer Journalist … meine Dokumentarfilme handeln ausschließlich von Sujets, die ich mag und liebe.“ Doch versteht man sein neuestes Werk ausschließlich als Hommage, so stellt sich ein weiteres Problem: „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ lässt den Zuschauer nichts Neues über den Protagonisten erfahren.

55 Fragen und eine Predigt als Antwort

So begleitet der Kinobesucher ihn zu durchaus rührenden Besuchen in Gefängnissen, wo Franziskus den Straftätern die Füße wäscht. Er sieht ihn in verwüsteten Gebieten auf den Philippinen und beim betroffenen Schweigen mit denjenigen, die alles verloren haben. Der Papst auf Lampedusa, der Papst in Yad Vashem, der Papst im Vatikan – das alles kennt der geneigte Nachrichtenkonsument. Ebenso wie seine berühmten Flugzeugpressekonferenzen, in denen er sich zum Beispiel dafür aussprach, Missbrauch in der Kirche gnadenlos aufzudecken. Neu sind lediglich einige Interviewszenen.

55 Fragen hat Wenders dem Pontifex gestellt, insgesamt vier Mal trafen sie sich. Franziskus beantwortet die Fragen direkt in die Kamera und nicht wie für solche Formate üblich an der Kamera vorbei und den Interviewer anblickend. Das soll wohl Nähe erzeugen. Tatsächlich lässt es den Film wirken wie eine Predigt mit Überlänge und eingespielten Zwischenszenen. Das ist gewöhnungsbedürftig und erlaubt keinerlei Distanz, hat aber immerhin etwas Gutes: Denn dass der Papst ein großer Theologe ist, der es wie wenige vermag, auch zum normalen Volk zu sprechen, bezweifelt kaum einer.

Das macht auch der Film deutlich und vermittelt so lupenreines Evangelium. Etwa wenn Wenders Franziskus die Theodizeefrage stellt. Warum tun sich die Menschen Leid an? Weil Liebe auf Freiwilligkeit beruht. Nur, wer die Wahl hat, zu lieben oder nicht, liebt aufrichtig, so die Antwort des Papstes. Warum lässt Gott zu, dass Kinder leiden? Da deutet Franziskus über den rechten Bildrand hinaus nach oben. Dazu könne er nur eines sagen: „Sehen Sie Gottes Kind, dass da am Kreuz hängt?“

Von: Anna Lutz

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