Weltverbesserer verzweifelt gesucht

Christen dürfen sich nicht hinter ihren Kirchenmauern verstecken. Diese Ansicht vertritt Margot Käßmann. Für sie muss sich der Glaube vor allem im fairen Miteinander in der Gesellschaft beweisen. Über ihre Vorstellung von Gerechtigkeit hat die Pfarrerin ein Buch geschrieben. Bei der Vorstellung in Berlin erlebten die Besucher eine halbstündige Achterbahnfahrt durch die schwerwiegendsten Probleme der Gesellschaft.

Von PRO

Die Welt ist kein gerechter Ort. Das weiß der Leser, bevor er Margot Käßmanns neues Buch aufschlägt. Was sich alles ändern sollte, ist Thema von „Mehr als Ja und Amen”. Das klingt nach viel Stoff und das ist es auch. Käßmann schreibt über Sterbehilfe und Abtreibung, über Rüstungsexporte und den Kampf gegen Terroristen, über Geringverdiener, Altersarmut und den Hunger in der Welt. Vor allem aber will sie sogenannte „Weltverbesserer” nicht länger als naiv wahrgenommen wissen. Sie habe das Buch als Reaktion auf eine Talkshow nach dem letzten Kirchentag zum Thema Gutmenschen geschrieben, berichtete Käßmann am Montag in Berlin. Damals habe sie das Gefühl gehabt, dass engagierte Menschen zunehmend belächelt würden. Eine fatale Entwicklung, schließlich sei die Alternative Zynismus. Die Welt ist schlecht, aber ich kann nichts daran ändern – ein solches Denken helfe niemandem. Besonders Christen sollten anders agieren: „Die Kirche darf gerade nicht hinter Kirchenmauern bleiben”, sagte Käßmann. Der Glaube stärke Menschen, sodass sie sich auch angesichts dramatischer Zustände in der Welt bewähren könnten. Für die Theologin sind die Seligpreisungen ein Kontrastprogramm zur Leistungsgesellschaft: „Wer solche Sätze im Herzen mitträgt, macht anders Politik.”

Sie schreibt dagegen an, dass die Gesellschaft Menschen in eine „Dauererschöpfungsschleife” zwinge. „Entscheidend sind die Faktoren, die wir nicht kaufen können”, erklärte sie bei der Buchvorstellung. Mit Blick auf Geringverdiener in sozialen Berufen sagte sie: „Ich finde, dass etwas schief liegt in unserem Land.” Der Respekt vor Erziehern oder Pflegern fehle. Es gebe zu wenig Unterstützung für junge Mütter, zu selten werde es thematisiert, wenn Väter keinen Unterhalt zahlten. Auch ein Kündigungsschutz für Jüngere sei einen Gedanken wert, schließlich animiere dieser Menschen möglicherweise zur Familiengründung.

Niemand könne die ganze Welt retten, aber jeder könne einen kleinen Schritt tun, findet Käßmann. Wenn T-Shirts für 2,50 Euro verkauft würden, müsse sich der Konsument fragen, wer am Anfang dieser Produktionskette stehe und seinen Konsum hinterfragen. „Es gibt ein Genug”, sagte die vierfache Mutter. Auch sie selbst habe ihr Kaufverhalten verändert. Wie in der Bibel gefordert, wünsche sie sich, dass die Gesellschaft ein besonderes Augenmerk auf „die Witwen, die Weisen und die Fremdlinge” lege. Als erhobenen Zeigefinger will sie ihre Kritik aber nicht verstanden wissen. Ihr entscheidendes Anliegen sei es, dass der christliche Glaube sich der Welt zuwende, sagte sie. (pro)

Margot Käßmann: "Mehr als Ja und Amen. Doch, wir können die Welt verändern", Adeo, 272 Seiten, 17,99 Euro, ISBN 9783942208772

Einen Vorabdruck aus dem Buch lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro, das am 22. April erscheint. Das Magazin ist kostenlos und kann unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online bestellt werden.

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