Weihnachten in Ägypten: Zwischen Zuversicht und Angst

Rund acht Millionen koptische Christen haben am Wochenende in Ägypten Weihnachten gefeiert. Die Furcht vor Anschlägen und die Angst vor der Zukunft überschatteten das Fest. Experten nennen die politische Entwicklung vor Ort derweil "unvorhersehbar".

Von PRO

Ägyptens koptische Christen haben ihr erstes Weihnachten nach dem Sturz von Husni Mubarak unter massivem Polizeischutz und in Sorge um ihre Zukunft gefeiert. Es gab aber auch Zeichen der Hoffnung für die christliche Minderheit in dem islamischen Land: Zum zentralen Gottesdienst in der Markus-Kathedrale in Kairo kamen in der Nacht zum Samstag neben einigen Generälen erstmals auch Repräsentanten der Muslimbruderschaft. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Schenuda III., hatte die Islamisten zu dem Mitternachtsgebet eingeladen.

Die Partei der Muslimbrüder "Freiheit und Gerechtigkeit" hatte schon vor der Messe verkündet, eine hochrangige Delegation zu der christlichen Feier zu schicken. Der Islam verpflichte alle Muslime, gegenüber den Christen und ihrem Glauben tolerant zu sein, hieß es in einer Erklärung. Gemeinsam zu feiern, sei eine Chance, die gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. So überbrachte Parteichef Mohammed Morsi höchstpersönlich den Kopten die Grüße und Glückwünsche der Muslimbruderschaft.

Islamisten siegen bei Wahlen

Die islamistische Organisation wird aus der Parlamentswahl nach den bisher vorliegenden Ergebnissen als stärkste Kraft hervorgehen und zusammen mit der radikaleren "Partei des Lichts" der Salafiten wohl mehr als 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Das macht den Christen, die etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, Sorgen. Denn religiöse Übergriffe gibt es immer wieder. Auch diese Weihnachtsfeier war am Freitag und Samstag von der Angst vor Anschlägen überschattet. Soldaten und Polizisten bewachten von Beginn der Feierlichkeiten an die Kirchen des Landes, um Attacken islamistischer Fanatiker zu verhindern.

Immer wieder kommt es in Ägypten zwischen Muslimen und der christlichen Minderheit zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Vor gut einem Jahr waren vor einer Kirche in der Hafenstadt Alexandria in der Silvesternacht mehr als 20 Menschen bei einem Bombenanschlag getötet worden. Im Oktober kamen bei blutigen Zusammenstößen zwischen Kopten und Muslimen in Kairo 26 Menschen, überwiegend Christen, ums Leben.

"…für den Fall, dass ich sie nicht mehr wiedersehen sollte"

Die ägyptische Tageszeitung "Al-Ahram" sprach anlässlich des Weihnachtsfeiertags mit einigen Kopten über ihre Hoffnungen und Ängste. Die 22-jährige Niveen al-Schahat sagte, es seien eine Reihe von Drohungen an koptische Webseiten geschickt worden, in denen den Christen eine große "Überraschung" an Weihnachten angekündigt wurde. Vor einem Gottesdienst verabschiede sie sich immer von ihren Freunden, "für den Fall, dass ich sie nicht mehr wiedersehen sollte".

Doch gibt es auch immer wieder Solidaritätsbekundungen seitens der Muslime. So hatten vor dem Fest selbst einige Salafiten angekündigt, sich am Schutz von Kirchen zu beteiligen. Das stieß allerdings bei vielen Christen auf Ablehnung. Auf dem zentralen Kairoer Tahrir-Platz, dem Symbol des Aufstands gegen Mubarak, kam es an Silvester zu einer spontanen gemeinsamen Feier. Tausende Ägypter begrüßten das neue Jahr unter dem Motto: "Christen und Muslime Hand in Hand."

Wie es weitergeht: "unklar"

Die "Friedrich-Ebert-Stiftung" in Kairo erklärte derweil, was nach dem Wahlsieg der Islamisten geschehe, sei völlig unvorhersehbar. Nicht nur die koptischen Christen seien besorgt. Das gelte auch für "viele andere Menschen, denen es wichtig ist, dass Ägypten ein demokratisches Land wird, in dem auch Minderheiten ihre Rechte haben und geschützt werden", sagte der Kairoer Büroleiter Felix Eikenberg am Samstag im Deutschlandradio Kultur.

Im künftigen Parlament könnten islamische und islamistische Parteien möglicherweise mehr als zwei Drittel aller Abgeordneten stellen, sagte Eikenberg. Allerdings sei nicht klar, wie viel Einfluss das erste Parlament nach der Entmachtung von Präsident Husni Mubarak überhaupt haben werde. Dies hänge auch davon ab, wie viel Einfluss die künftige Verfassung dem Militär einräumen werde.

Im Gegensatz zur CDU-nahen "Konrad-Adenauer-Stiftung" sei die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Kairo nicht vom Militärrat an ihrer Arbeit gehindert worden, berichtete Eikenberg. Für die Zukunft könne er aber nichts ausschließen. Islamistische Kräfte hätten mit den Vorfällen allerdings nichts zu tun.

Zwischen Offenheit, Gewalt und Frustration

Ende Dezember waren die Kairoer Büroräume der "Adenauer-Stiftung" von der Staatsanwaltschaft und Polizei durchsucht worden. Computer und Dokumente wurden beschlagnahmt. Die Razzien auch bei 16 weiteren ägyptischen und ausländischen Organisationen hatten weltweit Kritik ausgelöst. Die Behörden begründeten sie mit dem Verdacht auf illegale ausländische Finanzhilfen für ägyptische Organisationen.

Seit Beginn der Proteste in Ägypten vor einem Jahr seien viele Menschen politisch viel offener geworden, sagte Eikenberg. Gleichzeitig steige aber auch die Frustration, weil sich noch nicht so viel geändert habe wie erhofft. (dpa/pro)

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